Basketball:Flughafen statt Strullendorf

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Auch in Kaunas begannen die Bamberger (Fabien Causeur, rechts) gut, sie führten, sie trafen und ließen den Ball hervorragend laufen. (Foto: Valda Kalnina/dpa)

Bambergs Coach Andrea Trinchieri hadert damit, dass Trainer in Europa an Einfluss verlieren.

Von Matthias Schmid

Der Bamberger Janis Strelnieks hat sich nach dem Spiel im litauischen Kaunas ins Auto gesetzt und ist nach Hause gefahren. Nicht nach Oberfranken, für die anstrengende Route hätte der Basketballprofi vermutlich mehr als 13 Stunden gebraucht, sondern in sein vier Stunden entfernte lettische Heimatstädtchen Talsi, wo seine Familie lebt. Bis Samstagabend gab Bambergs Cheftrainer Andrea Trinchieri am Donnerstag nach der Niederlage in Kaunas seinen in diesen Wochen stark beanspruchten Spielern frei, erst dann versammelt der Trainer sie wieder um sich, um sie für das Heimspiel am Dienstag (20.30 Uhr) in der Bundesliga gegen Aufsteiger Rasta Vechta zu präparieren.

"Es ist gut, dass die Spieler nun ein paar Tage den Kopf freibekommen können", sagt Rolf Beyer. Der Geschäftsführer des deutschen Meisters Brose Bamberg hatte die vierte Niederlage nacheinander in der Euroleague zu Hause am Fernsehen verfolgt. Das 72:86 ordnete Beyer als "sehr schmerzhaft" ein. Es verfestigt sich der Eindruck, dass es den Bambergern es nicht besonders bekommt, dass Trinchieri angesichts der Hatz über den europäischen Kontinent kaum noch Zeit erhält, mit seinen Spielern so etwas wie technische oder gruppentaktische Dinge einzustudieren. "Ich trainiere meine Spieler während der Spiele", hebt Trinchieri hervor. Er bedauert das.

"Die Euroleague wird immer mehr zu einer Liga der Spieler."

Das neue Euroleague-Format will es aber so, dass die Bamberger neben der Bundesliga mittlerweile in einer zweiten kraftzehrenden Konkurrenz mitspielen. 30 zusätzliche internationale Spiele stehen in dem wichtigsten europäischen Klubwettbewerb auf dem Spielplan, drei Spiele in einer Woche sind eher die Regel als die Ausnahme, Mannschaftssitzungen finden immer häufiger in der Lobby des Flughafens statt als im Besprechungsraum der Trainingshalle in Strullendorf. "Die Euroleague wird immer mehr zu einer Liga der Spieler", findet Trinchieri, in denen Basketballlehrer wie er rapide an Einfluss verlieren. In der nordamerikanischen Liga NBA ist das schon seit ein paar Jahren so - und deshalb leisten sich viele Profis inzwischen einen Privattrainer.

Rolf Beyer kennt das Problem, aber auch die Expansionspläne der Euroleague, die am liebsten noch mehr Mannschaften unter ihrem Dach vereinen würde. "Für alle Mannschaften ist das gleich", sagt der Geschäftsführer. Er will unzureichende Trainingstage nicht als Ausrede dafür gelten lassen, dass Bamberg nach neun Spieltagen in der Euroleague auf dem vorletzten Platz liegt - weit hinter den eigenen Erwartungen. Rang acht sollte es in dieser Spielzeit schon werden, der zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt. Noch nie war eine deutsche Mannschaft in der Endphase der Euroleague vertreten. Bamberg hätte die Qualität und die Spieler dazu. "Doch im Moment haben wir eher ein psychologisches Problem als ein Problem des fehlenden Trainings", sagt Beyer. Auch in Kaunas begannen die Bamberger gut, sie führten, sie trafen und ließen den Ball hervorragend laufen. Doch irgendwann begannen sie nachzudenken, zu überlegen, zu zögern. Wie schon in den vergangenen Partien, in denen sie große Vorsprünge verspielten oder sie erst mit dem letzten Wurf aus der Hand gaben. "Daran müssen wir arbeiten", fügt Beyer hinzu und auch Trinchieri hadert mit den vergebenen Möglichkeiten in Kaunas: "In jeder Situation, als es möglich war ranzukommen, haben wir entweder den Rebound nicht geholt, ein dummes Foul begangen oder sind einem freien Ball nicht hinterher. So wird es schwer, in der Euroleague zu überleben."

Einen Mentalcoach für die zaudernden Spieler hinzuzuziehen, hält Beyer für das falsche Signal. "Da müssen wir uns als Mannschaft selbst wieder herausziehen, sagt er. Bis zum nächsten Spiel bleiben ja nun ein paar Tage Zeit, um zu üben. Ein Luxus in diesen Wochen. Für Andrea Trinchieri eröffnet das ganz neue, fast ungeahnte Möglichkeiten. Er kann dann mit jüngeren Spielern wie Maodo Lo, Patrick Heckmann oder auch Daniel Theis arbeiten, die noch mehr Zuspruch nötig haben als Europameister Nikos Zisis oder der NBA-erprobte Darius Miller. Beyer nennt sie Veteranen. Vielleicht gibt er zu, "haben wir weniger davon als die übrigen Konkurrenten in der Euroleague. Aber wir wollen ja jungen deutschen Spielern bewusst fordern und fördern."

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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