Basketball:Feldversuch in Moskau

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Stimmiges Kollektiv führt eine Gruppe von Extrakönnern vor: Nachdem er Khimki eine regelrechte Lehrstunde erteilt hat, tritt der FC Bayern München nun gegen Malaga an.

Von Ralf Tögel

Es waren noch keine fünf Minuten gespielt, da begann der Zopf von Dusko Ivanovic zu tanzen. Der Trainer von Khimki Moskau trägt sein Haar, das sich weit aus der Stirn zurückgezogen hat, hinten schulterlang, zu einem auffälligen Zopf gebändigt. Nun kniete er vor seinen Spielern, kritzelte hektisch Anweisungen auf seine kleine Tafel, wischte sie wieder weg, kritzelte, wischte. Und bellte in die Runde, dazu nickte er energisch mit dem Kopf - und in seinem Nacken tanzte der graue Zopf. Ivanovic hatte guten Grund für die frühe Auszeit, das letzte Spiel der Eurocup-Zwischenrunde lief in eine Richtung, die ihm nicht gefallen konnte. Gegen diese abgeklärte und coole Mannschaft aus München, die schnell zeigte, dass sie nicht nach Moskau gekommen war, um den 16-Punkte-Vorsprung irgendwie über die Runden zu retten. Dieser FC Bayern war angereist, um seine Mannschaft erneut zu schlagen.

Alle Interventionsversuche des impulsiven Montenegriners blieben vergeblich, die Bayern demütigten Khimki Moskau in der Verlängerung und gewannen letztendlich hoch verdient mit 96:74 (34:26, 72:72) Punkten. Denn der nicht weniger emotionalen Kollegen Sasa Djordjevic hatte seine Münchner Mannschaft perfekt vorbereitet an den Start dieser um den Gruppensieg entscheidenden Partie gebracht. Der FCB hat sich mit dieser Leistung als ernst zu nehmender Mitbewerber auf den Eurocup-Titel offenbart - und sich beste Voraussetzungen dafür gleich selbst geschaffen. Die Münchner gehen so dem spanischen Favoriten Valencia aus dem Weg, neben München das einzige Team, das alle Spiele in der Zwischenrunde gewonnen hat. Der Gegner bleibt ein spanischer, Malaga wurde aber bereits in Vorrunde zweimal bezwungen. Zu einer Zeit, das kann man nun sagen, zu der die Bayern noch nicht in dieser starken Form auftrumpften.

Die erste Partie steigt am Dienstag, 28. Februar (20 Uhr), im Münchner Dome, das Rückspiel drei Tage später (Freitag, 21 Uhr) in Andalusien. Wird im Best-of-three-Modus, der vom Viertelfinale bis ins Finale gespielt wird, eine dritte Partie nötig, ist diese (8. März) erneut in München. Auch im Halbfinale bliebe der Heimvorteil beim FCB, denn egal, wer sich im rein russischen Viertelfinale zwischen St. Petersburg und Krasnodar durchsetzt, beide Teams haben bereits in der Zwischenrunde verloren.

Noch genießt das Team aber den Moment: "Das war ein großartiger Sieg als Kollektiv gegen ein sehr starkes Team mit individueller Qualität", fand Djordjevic. In der Tat entpuppten sich die offensiv so talentierten Russen um Alexey Shved, einem der besten und mit kolportierten drei Millionen Euro Jahresgehalt auch bestverdienenden Guards des Kontinents, einmal mehr als Interessengemeinschaft starker Individualisten. Im überragenden Topscorer Shved (31 Punkte) sowie den Amerikanern Jacob Pullen und Earl Rowland erzielten drei Spieler 51 der insgesamt 74 Punkte. Könner, die angesichts lästiger Gegenwehr schon mal die Lust verlieren.

Das stimmige Kollektiv führt eine Gruppe von Extrakönnern vor

Und die Bayern? Haben vielleicht weniger individuelle Qualität, aber die deutlich bessere Mannschaft. Homogen und tief besetzt, dazu sind viele Akteure in der Lage, die Kollegen mitzureißen. In Moskau erledigte das Maxi Kleber mit 21 Punkten, fünf traumhaft sicheren Dreiern bei sechs Versuchen und satten zehn, teils spektakulären Blocks. Nicht weniger wichtig sind indes die Akteure, die nicht weit oben in den Statistiken auftauchen. Wie etwa Danilo Barthel oder Alex King, die ihrem Team gegen Khimki besonders in der Defensive Stabilität gaben und im Angriff fehlerlos agierten. Sasa Djordjevic favorisiert bekannter Maßen flexible Spieler, solche, die mehrere Positionen spielen können. Ein Muster, das seiner neuen Mannschaft immer deutlicher anzusehen ist, die Bayern sind dadurch extrem schwer auszurechnen. Was man von Khimki nicht behaupten kann. Dieser Feldversuch eines stimmigen Kollektivs gegen eine Gruppe von Extrakönnern nahm in der Verlängerung sogar den Charakter einer Lehrstunde an.

Zuvor waren die Bayern in der Offensive aber keineswegs vorbildlich: 16 Ballverluste, Pässe ins Nirgendwo oder freie Würfe, die das Ziel verfehlten. Dass der FCB trotz dieser Defizite bei einem zweimaligen Eurocup-Sieger so famos bestehen kann, darf die Konkurrenz als deutliche Warnung werten. Zumal in den fünf Minuten Verlängerung zu sehen war, wie das Spiel der Münchner Mannschaft aussehen kann, wenn es fehlerfrei funktioniert. Khimki bekam eine verstörende 24:2-Lektion erteilt, von entfesselt aufspielenden Gästen. Moskaus Trainer Ivanovic nahm das Geschehen versteinert von der Seitenlinie zur Kenntnis. Der Zopf ruhte bewegungslos in seinem Nacken.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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