Basketball:Einer muss ja gewinnen

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Tabellenvorletzter gegen Tabellenletzten, schwächste Heim- gegen schwächste Auswärtsmannschaft: Die Basketballer des FC Bayern haben beim Gastspiel in St. Petersburg die Chance, wieder mal ein Erfolgserlebnis in der Euroleague zu feiern.

Von Joachim Mölter

Wenn man erst mal in München heimisch geworden ist, zieht einen so schnell nichts mehr weg. Für manche Einwohner ist die Stadt eine großflächige Komfort-Zone, so gemütlich, so kuschelig, dass sie sich auswärts gar nie nicht mehr wohlfühlen mögen. Die Basketballer des FC Bayern München zum Beispiel. Die erleiden in der Euroleague, dem höchstwertigen Wettbewerb des Kontinents, regelmäßig Schwächeanfälle, sobald sie irgendwo in der Fremde tätig sein müssen. Von ihren bisher zwölf Ausflügen in dieser Saison brachten sie jedenfalls bloß einen Sieg mit nach Hause, und der gelang ihnen auch erst nach Verlängerung und nur bei Alba Berlin, dem nationalen Konkurrenten also, zu dem sie es nicht ganz so weit hatten.

"Es ist natürlich immer einfacher, zu Hause zu spielen", versucht Münchens Spielgestalter Maodo Lo die Malaise seiner Mannschaft zu erklären: "Man kennt das Feld, kennt die Fans, kennt die Umgebung." In der Fremde hingegen sei die Stimmung in den Hallen immer gegen einen und die Motivation des Gegners stets höher - "daran wird's wohl liegen", vermutet er. Aber nichts Genaues wissen sie alle nicht bei den FC-Bayern-Basketballern.

St. Petersburg und der FC Bayern haben jeweils gerade viermal nacheinander verloren

An diesem Donnerstag (18 Uhr) müssen sie bei Zenit St. Petersburg antreten, eine bessere Gelegenheit für einen Auswärtssieg in Europa wird sich ihnen nicht mehr bieten in dieser Saison. Die Russen haben einen noch geringeren Zuschauerschnitt als die Münchner, das Publikum sollte sie also nicht schrecken. Obendrein hat Zenit die schwächste Heimbilanz aller 18 Euroleague-Klubs - drei Siegen stehen zehn Niederlagen gegenüber.

Harter Kampf unterm Korb: Münchens Center Greg Monroe (links) wird es wie bei dem mit 77:69 Punkten gewonnenen Hinspiel vor allem mit Gustavo Ayon zu tun bekommen. (Foto: Lackovic/imago)

Von der Papierform her könnte das ein Trauerspiel werden zwischen dem Tabellenvorletzten St. Petersburg und dem Tabellenletzten aus München, beide mit einer Bilanz von 7:18 Erfolgen notiert. Es ist ja auch das Duell zwischen der schlechtesten Heim- und der schlechtesten Auswärtsmannschaft, zwischen zwei Klubs, die jeweils gerade viermal nacheinander verloren haben. Aber einer muss ja jetzt gewinnen, es geht nicht anders, warum also nicht der FC Bayern?

Bevor die Basketballer am Mittwoch ihre Komfort-Zone verließen und nach Russland flogen, klangen sie freilich etwas zaghaft ob der sich bietenden Gelegenheit, so als hätten sie es sich schon auf dem letzten Platz gemütlich gemacht, den sie seit immerhin sechs Wochen belegen. Absteigen können die Münchner ja nicht, die halb geschlossene Gesellschaft der Euroleague hat ihnen auch für nächste Saison eine Teilnahmeberechtigung ausgestellt, unabhängig vom diesjährigen Abschneiden.

Kein Grund zur Aufregung also angesichts der aktuellen Situation, kein Grund für hektische Betriebsamkeit, kein Grund, die Mannschaft unter Druck zu setzen. Cheftrainer Oliver Kostic sieht sein Team jedenfalls nicht unter Erfolgszwang, er verweist darauf, dass Zenit den Coach gewechselt habe: Für den Spanier Joan Plaza wurde vor zehn Tagen dessen Landsmann Xavi Pascual, 47, verpflichtet. "Es ist das zweites Heimspiel mit ihm, sie werden deshalb hochmotiviert sein", glaubt Kostic, der selbst erst im Januar zum Chef befördert wurde, nach der Entlassung von Dejan Radonjic. Auch Kapitän Danilo Barthel hört sich eher unaufgeregt an: "Das wird ein toughes Spiel, Zenit spielt sehr physisch." Aber klar, fügt er hinzu: "Wir hoffen bei diesem Duell des 17. gegen den 18. natürlich, dass wir endlich einen Auswärtssieg außerhalb Deutschlands einfahren."

Das ursprünglich mal anvisierte Ziel Playoff-Teilnahme ist zwar theoretisch noch zu erreichen, zuletzt allerdings immer weiter außer Sicht geraten. Ein neues Ziel mögen sie sich nicht stecken bei den FC-Bayern-Basketballern. "Was Konkretes gibt es nicht", sagt jedenfalls Maodo Lo. Und Barthel ergänzt: "Natürlich wollen wir nicht Letzter bleiben, aber wir denken jetzt erst mal von Spiel zu Spiel, alles andere würde nichts bringen."

Im Grunde dienen die verbleibenden neun Euroleague-Auftritte bereits der Vorbereitung auf die Anfang Mai beginnenden Bundesliga-Playoffs. "Dafür müssen wir bereit sein", findet Trainer Kostic. National stehen die FC-Bayern-Basketballer auf Platz eins, und der wird in den K.-o.-Runden um den Titel mit einem Heimvorteil belohnt. Diese Komfort-Zone lockt derzeit wohl am meisten.

© SZ vom 27.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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