Basketball:Die Kleineren sind etwas größer

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Konnte seine Längenvorteile im Euroleague-Duell des FC Bayern gegen Tel Aviv nicht immer nutzen – der deutsche Nationalspieler Danilo Barthel war mit 16 Punkten trotzdem zweitbester Werfer seines Teams. (Foto: Roland Krivec/imago)

Der FC Bayern gefährdet nach der Niederlage gegen Tel Aviv sein Ziel: als erste deutsche Mannschaft die Playoffs der Euroleague zu erreichen.

Von Matthias Schmid, München

Deandre Kane lief im Herbst 2015 elfmal für Ulm in der deutschen Basketball-Bundesliga auf. Ein Auftritt in München blieb dem amerikanischen Spielmacher damals verwehrt, weil er sich zu früh einem neuen Klub anschloss. Mittlerweile streift sich der 29-Jährige das Trikot des israelischen Meisters Maccabi Tel Aviv über, und am Donnerstagabend weilte er erstmals in der Münchner Arena. Die Spielstätte des deutschen Meisters muss ihm imponiert haben, er kostete den Moment nach dem 77:70-Sieg über den FC Bayern in der Euroleague länger aus als seine Mitspieler. Während alle schon in der Kabine verschwunden waren, ließ sich Kane fotografieren und kritzelte seine Unterschrift eifrig auf all die Dinge, die ihm entgegengestreckt wurden. "Es war ein wichtiger Sieg für uns", bekannte Kane, "wir wollen unbedingt in die Playoffs kommen, um den Titel zu gewinnen." Ob die Bayern ihnen dorthin folgen können? "Sie haben ein gutes Team, einen guten Coach, aber es wird schwer", antwortete Kane, bevor auch er die Dusche aufsuchte.

Noch stehen fünf Spieltage aus in der höchsten europäischen Spielklasse, München kommt wie Tel Aviv auf zwölf Siege und 13 Niederlagen, beide gehören zu jenen sechs Klubs, die sich Hoffnungen auf die letzten drei zu vergebenen Playoff-Plätze machen dürfen. Der Sieg von Maccabi hat den Blick dafür freigemacht, was dem FC Bayern noch fehlt, um in der Meisterrunde der besten acht Basketballklubs Europas mitmischen zu können. Es sind taktische Details, die auf diesem Niveau entscheidend sind. Dass man die Defensive dabei auch zur Kunstform erklären kann, machten die Israelis von Anfang an deutlich, indem sie die Münchner mit einer List übertölpelten.

"Wir waren etwas überrascht davon, dass sie in der Defensive von Beginn an bis zum Ende geswitcht haben", gab der NBA-erprobte Derrick Williams zu. Switchen wird im modernen Basketball immer bedeutsamer. Das heißt, dass in der Verteidigung die kleinen Spieler die großen bewachen und die großen die kleinen. Einen kompletten Spieler erkennt man vor allem daran, dass er verschiedene Positionen in der Defensive übernehmen kann. So stellte sich der mit 1,88 Meter eher schmächtige Scottie Wilbekin bisweilen dem imposanten Bayern-Kapitän Danilo Barthel (2,07 m) in den Weg.

Tel Avivs Trainer Ioannis Sfairopoulos führte die sogenannten "Mismatches" bewusst herbei. Auch wenn diese bei grober Ansicht die Münchner in den Vorteil hätten setzen können, weil diese in klassischen Eins-gegen-eins-Situationen den Gegenspieler überragen. Doch es kommt aufs Tempo an. "Wir sind mehrmals in die Falle getappt, weil wir plötzlich von zwei Spielern die Hände im Gesicht hatten", erklärte Derrick Williams das Problem gegen diese Deckungsvariante, sobald die erste Hilfe rechtzeitig kommt. Der vermeintliche Vorteil verwandelte sich in einen Nachteil, "weil wir zu schwierigen Würfen gegen Ende der Schussuhr gezwungen wurden", betonte Williams.

Drei Viertel waren die Gäste die bessere, die raffiniertere und wuchtigere Mannschaft an diesem Abend, bis die Münchner den Rückstand wieder verringern konnten, bis auf zwei Zähler (63:65) kamen sie fünf Minuten vor Schluss heran, weil neben Williams (17 Punkte) vor allem auch Barthel (16) seine Würfe traf. Doch dann wirkte sich noch ein anderer Aspekt nachteilig für München aus, die Offensivrebounds, also die Abpraller vom gegnerischen Brett, hier sammelte Tel Aviv acht Rebounds mehr und kam so viel häufiger zu zweiten oder gar dritten Wurfoptionen, die sie im Korb platzierten.

"Da haben wir nicht gut ausgeboxt", fand Bayern-Trainer Dejan Radonjic. Ausboxen nennt man im Basketball den Körpereinsatz unter den Körben. Ein körperloses Spiel ist Basketball längst nicht mehr, es wird geschoben, gedrückt, man fährt die Ellbogen aus. Williams generelle These, dass die Bayern womöglich zu klein seien im Vergleich zu den anderen Mannschaften in der Euroleague, war gegen Tel Aviv nicht zu halten. Tarik Black zum Beispiel, der sich gleich vier Offensivrebounds griff, ist mit 2,06 Metern der Längste in seinem Team, aber kleiner als Barthel oder Leon Radosevic (2,08). "Es ist weniger die Größe als vielmehr der Einsatz entscheidend", fasste Williams den nicht nach Wunsch verlaufenen Abend zusammen: "Tel Aviv hat eine großartige Defensive gespielt und wollte den Sieg ein bisschen mehr als wir."

16 Siege haben vorige Saison gereicht, um in die Meisterrunde der Euroleague versetzt zu werden. Vier ihrer fünf verbleibenden Spiele müssten die Bayern also wohl gewinnen. Unmöglich erscheint das nicht, nachdem sie in dieser Spielzeit schon Tabellenführer Fenerbahçe Istanbul geschlagen haben. Die Münchner würden sich zu gerne damit schmücken, die erste deutsche Mannschaft zu sein, die die Playoffs erreicht. Doch bevor es kommende Woche in Kaunas weitergeht, führt sie der eng getaktete Spielplan an diesem Sonntag erst einmal in der Bundesliga zur deutschen Überraschungsmannschaft nach Vechta. Der Aufsteiger liegt nach einer wundersamen Reise durch die Saison momentan auf dem dritten Platz und würde zu gerne dem Tabellenführer die zweite Saisonniederlage beibringen.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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