Basketball:Der erste Vergleich im neuen Gewand

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Lass mal mithören: Elias Harris (re.) und Bayern-Kollege Vladimir Lucic werden erstmals in Europa während der Partie ein Mikrofon im Trikot tragen. (Foto: isslerimages/imago images)

Lange dominierte Bamberg die Bundesliga, bis der FC Bayern diese Rolle übernahm. Um den Konkurrenten einzuholen, wurde der Neuanfang gewagt - mit Münchner Hilfe.

Von Ralf Tögel

Nelson Weidemann ist ein treffliches Beispiel, um die neuen Kräfteverhältnisse zu verdeutlichen. Der Guard entstammt dem Nachwuchsprogramm des deutschen Meisters FC Bayern München, dort allerdings hätte er wohl kaum Spielanteile bei den Profis bekommen, für die zweite Mannschaft in der ProB ist er bereits zu stark. Weidemann muss auf höchstem nationalen Niveau Spielpraxis sammeln, also wurde er ausgeliehen. Nun spielt er bei einem Topteam der Basketball-Bundesliga (BBL) und gehört fest zur Rotation, im Schnitt kommt er auf knapp zwölf Einsatzminuten: Weidemann spielt für zwei Spielzeiten für den ehemaligen Serienmeister Brose Bamberg.

Ein vor dieser Saison schwer vorstellbarer Vorgang, die Franken waren von 2010 bis 2017 als Meister das Maß der Dinge, was nur 2014 vom FC Bayern unterbrochen worden war. Danach stellte Bamberg eine Mannschaft von bis dahin nicht gekannter Qualität, viele dieser Spieler sind mittlerweile in der NBA oder bei europäischen Topteams unter Vertrag. Doch die Münchner holten auf, wurden zum großen Konkurrenten der Bamberger und lieferten ihnen in den Jahren von 2015 bis 2017 epische Playoff-Duelle. Bis sie Brose mit dem Meistertitel 2018 vom Thron stießen - und seither selbst die Referenzgröße der BBL sind. Mit Spielern, die aus der NBA gekommen sind oder bei europäischen Spitzenklubs spielen könnten. Einem Kader also, in dem ein Talent wie Weidemann keine Einsatzzeiten bekommen würde.

Im Vorjahr war Bamberg noch ins Final Four der Champions League eingezogen, dem drittstärksten europäischen Wettbewerb. Mit Spielern wie Augustine Rubit, Nikolaos Zisis, Ricky Hickmann oder Tyrese Rice, allesamt hoch dekoriert und entsprechend kostspielig. Doch die Endrunde im internationalen Wettbewerb wurde zum Desaster, der Aufsichtsrat um Michael Stoschek zog die Notbremse, die namhaften Spieler wurden ausgetauscht. Bamberg wagte den Neuanfang, holte in Geschäftsführer Arne Dierks, Trainer Roel Moors und Sportdirektor Leo de Rycke eine neue sportliche Führung, die mit talentierten Akteuren eine neue Mannschaft aufbauen soll. Mit Spielern wie Weidemann.

Am Montag also der erste Vergleich im neuen Gewand mit dem Platzhirsch FC Bayern (20.30 Uhr), dem Meister der vergangenen beiden Spielzeiten. Die Münchner schlagen in der Brose-Arena - die im Übrigen mit 6200 Zuschauer erstmals in dieser Saison ausverkauft ist - mit einem Team auf, das fürs höchste internationale Geschäft gebaut wurde, mit Spielern wie Greg Monroe, Jushua Huestis oder Paul Zipser, allesamt mit NBA-Erfahrung ausgestattet. Zipser kennt die intensiven Vergleiche mit dem ruhmreichen Bamberger Team noch. "Ich freue mich auf die heiße Stimmung in Bamberg", sagt er. Gleichwohl weiß er die veränderten Vorzeichen einzuschätzen: "Es ist nicht so, dass sie auf dem Niveau der vergangenen Jahre sind, als ich mit den Bayern dort gespielt habe."

Zweifellos sind die Gäste Favorit, daran ändert auch deren schwache Leistung vom Freitagabend bei der 73:98-Euroleague-Pleite gegen Kaunas nichts. Für Bambergs neuen Trainer Roel Moors macht dies die Aufgabe einfach: "Es ist das einzige Spiel des Jahres, in das wir nicht als Favorit gehen, in dem wir nichts zu verlieren haben. Dennoch wollen wir natürlich beweisen, dass wir gegen Deutschlands Topteam mithalten können." Bamberg freundet sich mit der neuen Rolle zusehends an, wie der jungste 75:68-Sieg gegen den BBL-Zweiten Ludwigsburg zeigt. Paris Lee, Louis Olinde, Assem Marei, Kameron Taylor oder Nationalspieler Christian Sengfelder haben zwar keine großen Namen, aber allemal genug Talent, einen angeschlagenen Favoriten zu überraschen. Die Frage wird sein, wie gut sich die Bayern vom Kaunas-Flop erholt haben. Worin Zipser kein Problem sieht: "Ich kann so etwas schnell abhaken."

Auch die Bamberger haben noch einen Akteur im Team, der die großen Zeiten miterlebt hat: Elias Harris. Für den Kapitän ist dieser Vergleich folglich "ein Spiel wie jedes andere", er wäre aber schon gerne Teil jener Mannschaft, die der bislang makellosen Bilanz des Titelverteidigers den ersten Kratzer beibringen kann. Etwas wird aber auch für Harris speziell am Montagabend, er wird wie der Münchner Vladimir Lucic vom übertragenden Sender MagentaSport über ein im Trikot eingearbeitetes Mikrofon audioverkabelt. Was in der NBA seit Jahren Usus ist, feiert in diesem deutschen Prestigeduell europäische Premiere und soll dem Zuschauer völlig neue Eindrücke vermitteln.

Für Weidemann hat dieses Spiel auch ohne Mikrofon im Trikot naturgemäß einen hohen Stellenwert: "Natürlich ist es ein besonderes Spiel für mich. Es ist das erste Mal, dass ich gegen Bayern im Trikot von Bamberg spiele." Er erwarte nette Gespräche mit seinen alten Weggefährten, doch spätestens mit dem ersten Sprungball werde er"alles dafür tun, dass wir ihnen die erste Niederlage zufügen. Wir sind gut vorbereitet, müssen das jetzt aber auch auf dem Feld umsetzen."

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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