Basketball:Chaostage in Wasserburg

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Svenja Brunckhorst kehrt nach zwei Jahren an der Côte d’Azur nach Oberbayern zurück. (Foto: imago)

Der Pokalsieger steht acht Wochen vor der neuen Saison noch ohne Trainer da. Mit Hilfe der früheren Abteilungsleiterin will der Klub nun aber vieles wieder ordnen.

Von Matthias Schmid

Nizza hat nicht wirklich etwas mit Wasserburg gemein. Es gibt zum Beispiel am Inn keine Boote oder gar Yachten, die so groß sind, dass darauf Hubschreiber landen können. Wegen des mondänen Lebens an der Côte d'Azur hatte Svenja Brunckhorst dort zuletzt aber nicht ein Jahr verbracht, das hatte berufliche Gründe. Brunckhorst, 26, ist professionelle Basketballspielerin, eine ziemliche gute sogar, sie ist eine der besten Spielmacherinnen hierzulande. Nach zwei Jahren im Ausland ist die Nationalspielerin nun nach Wasserburg zurückgekehrt, von wo sie vor zwei Jahren auszog, um ein neues Leben auf und abseits des Parketts kennen zu lernen. In dieser Zeit hat sich vieles verändert, Brunckhorst hat sich verändert. "Ich habe mich in Spanien und Frankreich persönlich und basketballerisch weiterentwickelt", erzählt sie. Aber auch der TSV Wasserburg hat sich viel verändert. Beim einstigen deutschen Vorzeigeklub, der seinen Sport noch deutlicher dominierte als der FC Bayern den Männerfußball, regierte nach dem verlorenen Meisterschaftsfinale gegen Keltern das Chaos. Oder, wie es ein Insider ausdrückt: "Die Ereignisse haben sich überschlagen."

Lange haben sie im Klub nach einer Nachfolgerin für Gabi Brei gefahndet, die mehr als 50 Jahre in führenden Funktionen präsent war. Als die 69-Jährige ihren Abschied nach der vergangenen Saison verkündete, passierte erst einmal: nichts. Oder das Falsche. Der letzte aktuelle Eintrag auf der Webseite datiert vom 4. Mai und ist mit der Überschrift versehen: "Statement der neuen Abteilungsleitung". Über eine undichte Stelle gelangte Anfang Juli die Nachricht an die Öffentlichkeit, dass Georg Eichler der neue Trainer werde, der Mann also, der kurz vor Weihnachten wegen interner Streitereien noch gehen musste. Eichler hatte tatsächlich Lust auf eine Rückkehr, doch der Pokalsieger, der massive Einschnitte im Budget verkraften muss, konnte sich mit dem ehrgeizigen Coach nicht auf ein vertretbares Gehalt einigen, so dass der elfmalige deutsche Meister acht Wochen vor dem Saisonstart in Keltern noch ohne Trainer dasteht. Brunckhorst schreckt das alles nicht ab, weil sich nach ihrer Unterschrift nun gerade wieder vieles zum Positiven in Wasserburg wendet.

Das hat wiederum mit Brei zu tun, die die sportliche Leitung auf Bitte der neuen Abteilung wieder übernommen hat, "kommissarisch", wie sie hervorhebt. Das ist ihr wichtig. Es soll nur eine Übergangslösung sein, bis sich die Klubführung das nötige Rüstzeug angeeignet hat. So steht der neue Trainer nach SZ-Informationen vor der Unterschrift. Es soll eine weibliche Doppelspitze werden, wobei einen Part Corina Kollarovics übernimmt, die zuletzt die zweite Mannschaft betreut hat. Den zweiten Namen will niemand verraten, "nicht bevor alles in trockenen Tüchern ist", wie es Robert Dresp sagt. Die neue Abteilungsleitung ist vorsichtig geworden, seit dem Fauxpas mit Eichler. Bekannt ist bisher nur, dass es sich um eine Trainerin mit A-Lizenz handelt, die noch nie als Chefcoach in der Bundesliga gearbeitet hat. Sie soll die neue Klubphilosophie umsetzen.

Nachdem Wasserburg viele Jahre mit ausländischen Fachkräften zahlreiche Titel errungen hat, soll nun ein Verjüngungsprozess mit vornehmlich hungrigen deutschen Spielerinnen eingeleitet werden. Einerseits ist das gewollt, andererseits aber auch den drastischen Einschnitten im Etat geschuldet, der dem Vernehmen nach weniger als 500 000 Euro beträgt. "Uns ist wichtig, dass sich die Mannschaft wieder mit Wasserburg identifizieren kann", sagt Dresp. Die Teilnahme an den Playoffs soll das Ziel sein. Mindestens, "wenn es geht, wollen wir auch um Titel spielen".

Ein Vorhaben, das Brunckhorst eher für unwahrscheinlich hält, "weil der große Umbruch Zeit beansprucht und die jungen Spieler sich erst einmal entwickeln müssen". Dass den Neuanfang zudem ein unerfahrenes Trainerteam moderieren soll, findet Brunckhorst "riskant". Aber gleichzeitig traut sie den beiden die anspruchsvolle Aufgabe zu, "weil sie neue Ansätze einbringen werden". Die neue Trainerin war eigentlich für die Spielzeit als Assistentin vorgesehen.

Dass sie nun gleich neben Kollarovics zur Chefin befördert wird, "hat auch finanzielle Gründe", wie Gabi Brei erläutert. So viel Geld ist beim TSV aber noch vorhanden, dass sie neben Bruckhorst und Sophie Perner in Kürze drei weitere deutsche Nationalspielerinnen vorstellen wollen. "Ich freue mich auf die neue Saison", sagt Brunckhorst. Sie hat es noch nicht bereut, Nizza wegen Wasserburg verlassen zu haben.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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