Basketball-Bundesliga:Verlängerte Highlights

Lesezeit: 4 min

Bei den Frauen wird im Oktober der Meister der Saison 2019/20 ausgespielt, bevor die neue Spielzeit beginnt. Wasserburg strebt seinen zwölften Titel an.

Von Felix Haselsteiner

Die starken Jungs heben ihre Gewichte in Wasserburg am Inn im Fit und Fun. Das Fitnessstudio, etwas am Stadtrand gelegen, gleich neben dem Badria Erlebnisbad, ist Heimat des durchaus typischen Pumper-Publikums: Irgendwo zwischen Mitte 20 und 30 sind die Männer, breite Schultern, mächtige Oberarme, bis auf wenige Ausnahmen uniformiert mit Tank-Tops und Bluetooth-Kopfhörern, ausgestattet mit dem wachen Blick dessen, der gerne beobachtet werden möchte.

Die vier jungen Frauen, die neben der Wasserburger Fitness-Gang trainieren, scheinen nicht im geringsten beeindruckt zu sein. Während bei den Kolossen nebenan über die Schulterbreite diskutiert und dabei in den Spiegel geschaut wird, sind sie nicht da, um irgendwelche Schönheitsideale zu erfüllen - sondern, um fitter zu werden. Für die Wasserburger Basketballerinnen sind Besuche im Fit and Fun nur die ersten Schritte in einer langen Saisonvorbereitung, die im Oktober zu einer Meisterschaft führen soll - dann wird in einem Finalturnier, so der aktuelle Plan der Frauen-Bundesliga, erst einmal der Meister der Saison 2019/20 ausgespielt; direkt anschließend beginnt dann die neue Spielzeit.

Sidney Parsons hat eine genaue Vorstellung davon, wie sie ihr Team innerhalb der nächsten zwölf Wochen so vorbereiten will, dass die zwölfte Meisterschaft der Klubhistorie möglich ist. "Es ist eine lange Vorbereitung", sagt Parsons. Eine, wie sie sie in ihrer Karriere weder als Spielerin noch als Trainerin erlebt hat: "Dadurch, dass alle seit März nicht mehr gespielt haben, müssen wir ganz anders rangehen."

Der Plan ist: Erst mal richtig fit werden. Etwas mehr als eine Stunde arbeitet die kleine Gruppe an verschiedenen Stationen, Parsons gibt die Übungen vor, das Programm hat sie mit einer befreundeten Fitnesstrainerin entwickelt.

Leonie Fiebich trainiert ein paar Meter neben den anderen, allein - und wird von den Muskelprotzen immer wieder bewundernd beobachtet. Während ihre Mannschaftskolleginnen sich Übung für Übung noch mal erklären lassen, hat die 20-Jährige ihr Programm längst automatisiert - sie hat ja auch Großes vor. 22. Pick war Fiebich im Draft der WNBA im April, sie wird vom kommenden Sommer an bei den Sparks in Los Angeles auflaufen.

"Ziemlich fassungslos" sei sie im April gewesen, sagt Fiebich, als sie von ihrer Pick-Position erfahren hatte. Davor hatten sich nach der Reihe Trainer aus der höchsten US-Liga bei ihr gemeldet, um sie zu ihren Mannschaften zu locken, mit allen tauschte Fiebich sich aus, am Ende wurde es Los Angeles. Dass in Fiebich und Luisa Geiselöder, bis voriges Jahr in Nördlingen in der Bundesliga im Einsatz, gleich zwei junge Deutsche direkt aus der Bundesliga und damit anders als etwa Satou Sabally (Pick Nummer zwei) nicht von einem US-College den Sprung in die höchste Frauen-Basketball-Liga der Welt schaffen, ist beeindruckend und in vielfacher Hinsicht eine Auszeichnung.

Fiebichs Talent ist ohne Frage die Grundvoraussetzung für diesen Erfolg: Bereits als Jugendliche spielte sie für den TS Jahn München in der 2. Bundesliga, wechselte dann 2018 nach Wasserburg und wurde sofort Neuling des Jahres in der Bundesliga. Der ursprüngliche Karriereplan war, in den kommenden Jahren bei einem Europacup-Verein den nächsten Schritt zu gehen und dann, vielleicht, in die USA.

Dass es so schnell geklappt hat ist gleichzeitig auch eine Auszeichnung für den Standort Wasserburg - und insbesondere für Sidney Parsons. Deren persönlicher Trainingsplan ist noch voller als der ihrer Spielerinnen. Sie trainiert die erste Frauenmannschaft, ist Jugendkoordinatorin in Wasserburg und arbeitet daneben auch beim Deutschen Basketball Bund (DBB). Das alles in Zeiten, in denen selbstverständlich auch in Wasserburg die finanzielle Lage unklar ist: "Aber wir spielen jetzt wieder, das ist das Wichtigste", sagt Parsons. Nach dem Weggang des langjährigen Hauptsponsors, einem der zwei ortsansässigen Molkereibetriebe, im vergangenen Jahr mussten die Wasserburgerinnen nun durch die Corona-Krise noch mehr um ihre Finanzierung kämpfen. Doch es sieht gut aus für die neue Saison, bis Ende des Monats soll das Budget stehen.

Die erfahrene US-Amerikanerin Kelly Moten wird in etwa fünf Wochen wieder dazustoßen

Auch der Kader wird in seinen Grundfesten wohl bestehen bleiben. Die erfahrene Amerikanerin Kelly Moten wird in etwa fünf Wochen wieder dazustoßen; wie alle Spielerinnen, die nicht in Wasserburg sind, absolviert sie ihre Vorbereitung vorerst allein. Vom TS Jahn ist Emily Bessoir aktuell noch dazugekommen, die, sobald sich die Corona-Situation in den USA geklärt hat, auch nach Kalifornien ziehen wird, um an der UCLA zu studieren. Und auch Fiebich bleibt noch, vermutlich bis nächsten Sommer.

"Es macht einfach für alle Sinn", sagt Parsons: "Leonie hat dann in drei Jahren bei uns alles erlebt - das wird ihr gut tun." Nach ihrer erfolgreichen Rookie-Saison nämlich zog sich Fiebich im Herbst den zweiten Kreuzbandriss ihrer Karriere zu und konnte in dieser Saison bislang nur ein Bundesliga-Spiel absolvieren. Vom Herbst an soll sie dann den nächsten Schritt machen und eine Leaderin in der Mannschaft werden. "Ich werde in der Bundesliga noch einmal Selbstvertrauen sammeln", sagt Fiebich über ihren etwas längeren Verbleib in Wasserburg.

Bald in LA, erst mal noch in Wasserburg: Leonie Fiebich. (Foto: Gabi Hörndl / TSV Wasserburg / OH)

Mittlerweile ist es halb acht am Abend. Während die Jungs im Fitnessstudio immer noch an ihren Körpern arbeiten, trainiert die kleine Gruppe in der Halle ein paar Fußminuten weiter. Parsons weiß, dass sie ihre Spielerinnen über die nächsten zwölf Wochen auch bei Laune halten muss. Sie arbeitet vor allem mit spielerischen Trainingsformen, Fiebich sticht bei ausnahmslos allen hervor. Nicht nur basketballerisch merkt man ihr an, dass es kein Zufall war, dass sich halb Amerika um sie bemüht hat.

Die kommenden elf Wochen werden hart, glaubt auch Fiebich: "Normalerweise haben wir vier Wochen Vorbereitung und im Sommer internationale Turniere", die vermisse sie. Dafür kann sich Fiebich in diesem Sommer noch ein letztes Mal ausführlich der Wasserburger U12-Mannschaft widmen, die sie trainiert. "Für die kleinen Mädels ist es immer ein Highlight, wenn Leo da ist", sagt Parsons. Und wie so oft, wenn sie über ihre talentierteste Spielerin redet, klingt Parsons dabei etwas wehmütig und stolz zur gleichen Zeit.

© SZ vom 23.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: