Basketball:Bloß nicht durchdrehen!

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Der pragmatische Nicolo Melli verhilft Bamberg aus der Krise. Beim Spiel in Tel Aviv sammelt er beim 85:70 in der Euroleague 27 Punkte - und er steckt das Team an mit seinem sachlichen Denken, das sich nicht an den Ergebnissen orientiert.

Von Matthias Schmid

Wer mit Nicolo Melli spricht, der merkt schnell, dass dieser Italiener wirklich unverschämt gelassen ist. Es muss an seiner Herkunft liegen, der 25-Jährige ist in Reggio nell'Emilia geboren, in der norditalienischen Region Emilia-Romagna. Nicht weit von dort liegt auch das Örtchen Reggiolo, wo Carlo Ancelotti aufgewachsen ist. Sowohl der FC-Bayern-Trainer als auch der Basketballer des deutschen Meisters Brose Bamberg lassen üblicherweise nach außen einen Erregungsgrad erkennen, als ginge es bei ihnen lediglich um die Regionsmeisterschaft in Emilia-Romagna und nicht um viel Geld im Profisport. Als Melli nun am Mittwochabend im Euroleague-Spiel bei Maccabi Tel Aviv kurz vor der Schlusssirene seine letzten beiden Distanzwürfe zum 85:70-Auswärtssieg verwandelte, zeigte er keine Regung im Gesicht. Kein Lächeln. Einfach nichts. "Wir müssen ruhig bleiben und die Balance halten, wenn wir siegen und wenn wir verlieren", sagt er am Tag danach. Melli sitzt im Flughafengebäude von Tel Aviv und wartet auf den Flieger, der ihn nach Frankfurt bringen wird.

Der Sieg bei Israels Vorzeigemannschaft war nicht irgendeiner, betont Andrea Trinchieri. Bambergs Trainer neigt zum Pathos, er sagt: "Wir kehren mit einem historischen Sieg heim." Zumindest war es ein wichtiger, der erste nach zuvor fünf Niederlagen nacheinander. Es waren bittere Spiele dabei, zuletzt unterlag Bamberg dem Titelverteidiger ZSKA Moskau zu Hause erst mit dem letzten Wurf. Auch die vier vorangegangenen Partien wurden knapp und unglücklich verloren.

Keiner in der Euroleague greift sich so viele Rebounds wie Melli

"Es ist für eine Mannschaft mental schon sehr aufreibend, so viele enge Spiele zu verlieren", gibt Melli zu. Aber er hat eine Bewältigungsstrategie dafür entwickelt, die nicht nur ihm, sondern auch seinen Mitspielern guttut und hilft. "Wir dürfen uns nicht einreden, dass wir kein Glück hatten, sondern wir müssen uns sagen, dass es an unseren eigenen dummen Fehlern lag. Denn dann machen wir uns nicht zu große Sorgen, sondern denken nur darüber nach, wie wir unser Spiel schnellstmöglich verbessern können."

Wie der überraschend deutliche Sieg beim dreimaligen Euroleague-Champion gezeigt hat, scheint dieses recht pragmatische Kalkül aufzugehen. Die Bamberger liegen zwar noch immer auf dem letzten Platz im wichtigsten europäischen Wettbewerb, aber ihr Rückstand auf Rang acht, der zur Teilnahme am Viertelfinale berechtigt, beträgt nur zwei Siege. "Die Tabelle lügt", sagt Melli deshalb und fügt hinzu: "Ich habe viel Vertrauen in unser Team und glaube, dass wir noch das Maximum erreichen können." Ob das Maximum das Viertelfinale ist oder sogar noch ein bisschen mehr, lässt er offen. Die Hauptrunde endet erst im April. "Bis dahin kann noch so viel passieren", sagt Melli.

Es wird dabei einiges von ihm selbst abhängen, ob die Saison für die in der Bundesliga noch ungeschlagenen Bamberger erfolgreich verlaufen wird. Er gehört seit mehreren Wochen zu den verlässlichsten und auffälligsten Spielern, vor allem in der Euroleague kommt Melli seinem Optimum sehr nahe. Er ist mit 14 Punkten im Schnitt nicht nur bester Bamberger Werfer, sondern greift auch noch durchschnittlich acht Rebounds vom Brett - so viele wie sonst kein Profi in der Euroleague.

Wenn er über seine eigene Darbietungen sprechen soll, wird er allerdings schnell wortkarg. "Es hilft nichts, wenn ich gut spiele und die Mannschaft trotzdem verliert", sagt er dann. In Tel Aviv sammelte er 27 Punkte und zwölf Rebounds. Er schaffte zum vierten Mal ein seltenes Double-Double, also zweistellige Werte in zwei verschiedenen Kategorien. Melli sagt unaufgeregt: "Am wichtigsten ist, dass wir als Mannschaft gewonnen haben und jetzt nicht durchdrehen."

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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