Basketball:Alle für Ubuntu

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Die Boston Celtics locken den Aufbauspieler Stephon Marbury, dessen Ego nur mit einem Teleskop messbar ist. Die ohnehin fragile Harmonie im Team steht auf der Kippe.

Jürgen Schmieder

Es gibt einen Werbespot des Sportsenders ESPN mit den Basketballspielern Paul Pierce, Ray Allen und Kevin Garnett. Die Stars der Boston Celtics grübeln darüber, welcher Spitzname das Trio am besten definiert. Das Ergebnis: "Boston Three Party". Der Spot ist eine Anspielung darauf, dass kaum ein Experte glaubte, dass diese drei Individualisten ein funktionierendes Team bilden könnten.

Aufbauspieler Stephon Marbury gehört unstreitbar zu den besten seines Fachs. Jedoch gilt er als Störenfried und Egomane. (Foto: Foto: Getty)

Um die gewaltigen Egos des Trios zu bändigen, führten die Verantwortlichen der Celtics den Begriff "Ubuntu" aus der Sprache Bantu ein - die Spieler mussten ihn vor jedem Spiel und nach jeder Auszeit brüllen. Er bedeutet Einigkeit und die Fähigkeit, das Individuum für ein großes Ziel zurückzustellen. Es funktionierte, die Celtics gewannen in der vergangenen Saison die Meisterschaft und in dieser Saison 27 der ersten 30 Spiele.

Pierce, Allen und Garnett treten gemeinsam im Fernsehen auf, sie loben sich gegenseitig in Interviews, sie rechnen ihre statistischen Werte zusammen. Damit es nicht zuviel der Harmonie wird, wollen die Celtics nun einen vierten Spieler verpflichten, dessen Talent nur durch sein Selbstbewusstsein übertroffen wird: Stephon Marbury von den New York Knicks.

Er nennt sich "Starbury"

Marbury ist ein Spieler, dessen Ego nur mit einem Teleskop messbar ist, er nennt sich selbst "Starbury" und erklärte wiederholt, der beste Aufbauspieler der nordamerikanischen Profi-Liga NBA zu sein. Sportlich gehört der 32-Jährige unstreitbar zu den besten seines Fachs, er kann in seiner zwölfjährigen Karriere 19,7 Punkte und 7,8 Assists pro Spiel vorweisen.

Er konnte jedoch keine seiner Mannschaften zum Titel führen, er gilt als Störenfried und Egomane, der lieber die Punktwertung anführt als einen Titel zu gewinnen. Seit mehr als einem Jahr streitet er mit den Verantwortlichen der Knicks. Er wurde wegen Lustlosigkeit und Arbeitsverweigerung in der Defensive auf die Ersatzbank verbannt, daraufhin weigerte er sich, sich für ein Spiel überhaupt umzuziehen. Die Knicks suspendierten ihn und verweigerten Zutritt zu Spielen und Trainingseinheiten. Marburys Reaktion: Er kaufte sich eine VIP-Dauerkarte für die Heimspiele und flog zu den Auswärtsspielen im gemieteten Privatjet.

Marbury und die Knicks wirken bei diesem Streit wie zwei Kleinkinder im Sandkasten, die wetten, wer länger die Luft anhalten kann - bis beide in Ohnmacht fallen. Marbury hat seit dem 11.Januar 2008 kein Saisonspiel mehr bestritten - die Knicks haben 19 der ersten 32 Spiele der neuen Saison verloren und bereits vier Spiele Rückstand auf einen Playoff-Platz.

Dem Kader mangelt es an Tiefe

Nun bekunden die Celtics Interesse, sie verloren zwei wichtige Bausteine der Meistermannschaft. P.J. Brown erklärte seinen Rücktritt, James Posey wechselte nach New Orleans. Dem Kader mangelt es an Tiefe, was jüngst deutlich wurde. Die Celtics verloren vier von sechs Spielen, zuletzt mit 88:100 im Madison Square Garden gegen die Knicks.

Kevin Garnett stand nach dem Spiel in der Umkleidekabine und schien froh zu sein, nicht die Niederlagenserie erklären zu müssen, sondern über Marbury, seinen einstigen Teamkameraden bei den Minnesota Timberwolves, sprechen zu dürfen. "Stephon hat noch viel Basketball in sich. Er ist intelligent, er hat Talent und ist erfahren. Ich hätte nichts dagegen, wenn er zu uns kommt." Marbury könne die Mannschaft eine wichtige Alternative in der langen Saison sein, er müsse sich nur unterordnen - wie alle anderen Spieler bei den Celtics.

Die Knicks wollen Marbury loswerden, Marbury möchte gehen, die Celtics würden ihn verpflichten. Der Wechsel zieht sich dennoch in die Länge, es geht ums Geld. Marburys Vertrag ist in dieser Saison mit 20,8 Millionen Dollar dotiert, er ist nicht bereit, auf einen Cent zu verzichten. Seit drei Wochen verhandelt Marbury mit Knicks-Manager Donny Walsh über die Vertragsauflösung. Celtics-Trainer Doc Rivers beschrieb die Situation am Sonntag nach dem Spiel so: "Ich glaube, ich kann dazu nichts sagen. Ich könnte, wenn ich wollte, aber ich sollte nicht. Also lasse ich es lieber."

In dieser Woche treffen sich Marbury und Walsh erneut. "Mit dem Wissen, dass die Celtics Interesse haben, haben beide Seiten Ansporn genug, endlich eine Einigung zu erzielen", sagt Walsh. Danach wird Marbury wohl zu den Celtics wechseln, um endlich seine erste Meisterschaft zu gewinnen. Er wird in Boston zunächst nicht die Spielzüge der Celtics lernen, sondern erst einmal die Bedeutung des Wortes "Ubuntu".

© SZ vom 07.01.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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