Basketball:Absturz der Artisten

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Da lief noch alles nach Plan: Nihad Djedovic (Zweiter von rechts) schaut ebenso interessiert zu, wie Maik Zirbes (33) den Ball in den Würzburger Korb drückt, wie die Gäste Andrej Mangold (44) und Leon Kratzer (rechts). (Foto: Oryk Haist/imago)

Der FC Bayern verspielt gegen Würzburg noch einen 22-Punkte-Vorsprung. Nach vier Siegen und zum Teil überragenden Leistungen landen die Münchner hart.

Von Matthias Schmid

Sasa Djordjevic lehnte lässig an der Werbebande, als neben ihm plötzlich die Spieler von der Ersatzbank aufsprangen. Ekstatisch, so als hätten sie gerade einen großen Titel gewonnen. Alle standen und schwenkten vor Begeisterung die Handtücher ob der surrealen Szene. Maik Zirbes, ein Schrank von einem Mann, hatte zu Beginn des zweiten Viertels einen filigranen Pass über den Kopf mit beiden Händen gespielt, mit dem Rücken zum Korb wohlgemerkt, als hätte seine Augen am Hinterkopf. Das Anspiel kam bei Nihad Djedovic an, der den Ball locker verwandelte.

Djordjevic, der Cheftrainer der Bayern-Basketballer, verzog allerdings keine Miene, er schaute dem ganzen Treiben vor und neben sich so entspannt zu, als würde er sich ein Spiel der U14-Mannschaft anschauen. Dabei hätte er ruhig mehr aus sich heraus, mehr Emotionen zeigen können. Denn das, was seine Spieler am Freitagabend gegen s.Oliver Würzburg in den ersten 15 Minuten darboten, war Zirkus in der Rudi-Sedlmayer-Halle, die Bayern-Spieler die Artisten. Vor allem ihre Pässe waren eine Attraktion, die Zuschauer bejubelten die sogenannten Assists sogar noch lauter als die erfolgreichen Würfe selber, sie waren voller Fantasie und Raffinesse und ermöglichten etliche einfache Punkte. Mit 42:20 führten die Münchner wenig später, die Würzburger waren grotesk unterlegen. Djordjevic lehnte aber wieder nur lässig an der Werbebande, unbeeindruckt.

Vielleicht ahnte der Serbe da schon, was nach der Pause folgen würde. Ein wilder Auftritt seines Teams, eine irrwitzige Aufholjagd der Würzburger, die sie sogar noch mit dem Sieg veredelten. Mit 84:76 (33:47) gewann die Mannschaft von Dirk Bauermann die schon verloren geglaubte Partie und bleibt damit auch im vierten Bundesliga-Spiel ungeschlagen.

Nach vier Siegen und zum Teil überragenden Leistungen landen die Münchner hart

Sie zog in der Tabelle an den Münchnern vorbei. Neuer Spitzenreiter ist Medi Bayreuth nach dem Sieg in Oldenburg, vor Würzburg. Und die Münchner? Sie verloren ihre erste Partie und landeten nach dem Höhenflug Richtung Basketball-Olymp - mit vier Pflichtspielsiegen, darunter auch einem bemerkenswerten Erfolg am Mittwoch im Eurocup bei Galatasaray Istanbul - hart wieder auf dem Boden der Tatsachen. Die Bayern-Profis sind doch nur irdische Wesen, aus Fleisch und Blut, man hatte schon das Gegenteil glauben können bei all den Elogen in den vergangenen Tagen. "Ich hatte gerade in der Kabine ein sehr ernstes Gespräch mit meinen Spielern", erzählte Djordjevic nach der Partie nun. "Nicht akzeptabel", fand der 50-Jährige die Darbietung seiner Spieler, ihren Arbeitsethos und die 18 Ballverluste. "Es hat heute die Mannschaft gewonnen, die das Spiel auch unbedingt gewinnen wollte. Wir brauchen Kämpfer."

Als Maurice Stuckey 1:43 Minuten vor der Schlusssirene einen Dreier traf, ballte auch Bauermann die Faust. Der Würzburger Trainer wusste in diesem Moment, dass sie dieses hinreißend verrückte Spiel nun doch gewinnen würden. Nach einer zweiten Hälfte, in der sie mit lästiger Verteidigung und großem Willen die Bayern zermürbten, denen plötzlich nichts mehr gelang. Im Gegenteil: Sie ließen sich plötzlich die Bälle aus der Hand klauen und trafen ihre Würfe nicht mehr. "Es ist ein schöner Sieg für mein Team", sagte Bauermann. Er sprach dabei so nüchtern wie ein Notar bei der Testamentseröffnung. Wie schon in der vergangenen Saison fehlte den Münchnern ein Spieler, der dem zerrütteten Spiel wieder Struktur und Präzision hätte geben können, ein kühler Kopf auf dem Feld.

Einer, der das hätte sein können, saß nur auf der Bank, neben dem Korb: Braydon Hobbs, der neue Spielmacher aus Ulm, war am Freitag allerdings der eine Ausländer zu viel, nur sechs fremde Facharbeiter dürfen in der Bundesliga auf dem Spielberichtsbogen stehen. Diesen einen Schlüsselspieler hatten die Würzburger: Robin Benzing, der Kapitän des Nationalteams, spielte groß auf, nachdem bis zum Seitenewechsel das Spiel an ihm vorbeigelaufen war und er ohne Punkt blieb. Mit 22 Zählern wurde er danach aber noch zum besten Werfer der Partie und führte seinen Klub zum Sieg, den lange niemand erwarten konnte.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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