Basketball:Abgebogen von der Autobahn

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(Foto: Mladen Lackovic/imago)

Der FC Bayern startet in die Euroleague-Saison. Die Klub-Verantwortlichen warnen, dass es noch dauern wird, bis alles geschmeidig läuft.

Von Joachim Mölter

Die Verpflichtung von Andrea Trinchieri als neuen Trainer hat sich schon nach wenigen Wochen deutlich bemerkbar gemacht bei den Basketballern des FC Bayern München: Der Italiener bringt nicht nur den Spielern den ein oder anderen Kniff bei, sondern offenbar auch allen Mitarbeitern des Vereins eine blumige, bildhafte Sprache. Als Trinchieris Landsmann Daniele Baiesi, der Sportdirektor des Klubs, am Mittwoch nach seinem Eindruck von der runderneuerten Mannschaft gefragt wurde, verglich er sie jedenfalls mit einer neuen Lederjacke: Wenn man sich mit der zum ersten Mal vor den Spiegel stelle, fühle sie sich auch noch hart und sperrig an, erst mit der Zeit werde sie weich und geschmeidig. Trinchieri selbst zog lieber eine Parallele zu einem neuen Auto: "Wir müssen es erst ein paar Kilometer einfahren, bis wir verstehen, wie es sich lenkt, wie es beschleunigt, wie es bremst."

Diese Worte lassen vermuten, dass die Verantwortlichen davon ausgehen, es werde unrund und holprig laufen, wenn die FC-Bayern-Basketballer am Freitag das erste Pflichtspiel der neuen Saison bestreiten. Zum Auftakt der Euroleague kommt Armani Mailand vorbei, für Baiesi eines der Top-Sechs-Teams der 18er-Liga, für Trinchieri ein Kandidat fürs Final Four, für Flügelspieler Vladimir Lucic sogar "im Moment vielleicht die beste Mannschaft in Europa".

Die Italiener haben sich verstärkt wie kein anderer Klub auf dem Kontinent, ungeachtet der allseits verkündeten Etateinbußen durch die Corona-Pandemie. Sie warben im Sommer unter anderen den Center Kyle Hines von ZSKA Moskau ab, den Flügelspieler Luigi Datome von Fenerbahce Istanbul, dazu den einst auch in München tätigen Spielmacher Malcolm Delaney vom FC Barcelona. Die großzügigen Zuwendungen des Klub-Mäzens Giorgio Armani, eines bekannten Modeherstellers, ermöglichen es, unabhängig von jeglichen Zuschauer-Einnahmen zu kalkulieren.

Die vom viermaligen Euroleague-Gewinner Ettore Messina gecoachten Mailänder "sind schon gut in Form", hat Münchens Geschäftsführer Marko Pesic festgestellt. Die Mailänder haben alle ihre Vorbereitungsspiele gewonnen, unter anderem gegen den deutschen Meister und Pokalgewinner Alba Berlin (79:57), und quasi im Vorbeigehen den italienischen Cup geholt. Mit einem Sieg der FC-Bayern-Basketballer ist also nicht zwingend zu rechnen, zumal ihnen die Unterstützung der Fans fehlen wird. Am Mittwochnachmittag teilte die Stadt München dem Klub mit, dass die Begegnung wegen der aktuellen Corona-Situation ohne Zuschauer stattfinden muss. "Es wird super-super-schwer", sagt Trainer Trinchieri vor dem Vergleich.

Münchens Verantwortliche erwarten von ihrer Mannschaft zumindest, dass sie sich als wettbewerbsfähig präsentiert und bis zum Schluss kämpft, anders als in der vergangenen Saison. "Wir wollen zeigen, dass wir kein Kanonenfutter sind", sagt Geschäftsführer Pesic. Wegen der Corona-Pandemie plant er mit einem geringeren Budget als im Vorjahr; damals überschritt es die 20-Millionen-Euro-Marke. "Wir haben weniger in den Spieleretat investiert", sagt Pesic. Die neuen Profis - die Amerikaner Nick Weiler-Babb, Wade Baldwin, JaJuan Johnson, Jaylen Reynolds und Malcolm Thomas - waren also in der Summe preisgünstiger zu haben als ihre Vorgänger Greg Monroe, Matthias Lessort, Josh Huestis, Danilo Barthel und Maodo Lo.

"Ich will unbedingt in die Euroleague-Playoffs", bekräftigte Marko Pesic am Mittwoch ein schon seit längerem gehegtes Ziel der FC-Bayern-Basketballer, "aber es wäre nicht realistisch oder fair, das in diesem Jahr zu erwarten." Rückendeckung bekommt er vom Vereinspräsidenten Herbert Hainer. "Uns fehlt ein siebenstelliger Betrag, wenn wir keine Zuschauer in die Halle kriegen", rechnete der frühere Adidas-Chef vor, "aber deswegen geben wir unsere Ziele nicht auf."

Auch Hainer scheint schon von Trinchieri inspiriert worden zu sein. Er verglich den Weg der Basketballer in die europäische Spitze nämlich mit einer Autofahrt von München nach Nürnberg. "Wenn sie bei Ingolstadt in einen Stau geraten, kehren sie ja auch nicht um", erklärte er, "sondern sie fahren runter von der Autobahn und einen Umweg, aber sie kommen in Nürnberg an."

Wenn man Herbert Hainer richtig interpretiert, dann sind seine Basketballer also gerade von der Autobahn abgebogen, auf einen holprigen Weg über die Dörfer. Auch er wirbt um Verständnis, falls nicht sofort alles glatt geht. "Man muss der Mannschaft Zeit geben", findet er. Irgendwann läuft es dann schon wie geschmiert.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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