Baseball:Weiter beklatscht

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"Ich habe dieses Spiel noch nie so genossen": Alex Rodriguez ist nach seiner Sperre wieder am Ball für die New York Yankees. (Foto: AP)

Der überführte Doper Alex Rodriguez ist für die New York Yankees wieder am Ball und baut seine Rekord-Sammlung aus. Das amerikanische Publikum applaudiert dazu so artig, dass der 39-Jährige ins Schwärmen kommt.

Von Jürgen Schmieder

Ein Brief. Handgeschrieben. Auf Papier. Der Baseballspieler Alex Rodriguez wählte im Februar diese Mitteilungsform, die in Zeiten des Zwitscherns und Snapchattens vom Aussterben bedroht ist, um sich an seine Fans zu wenden. In krakeliger Schrift entschuldigte er sich bei den New York Yankees, seinen Kollegen in der Baseballliga MLB und überhaupt der ganzen Welt. Wofür genau er sich entschuldigte? Das erklärte er nicht, sondern schrieb nur diesen vagen Satz: "Ich bedaure, dass meine Handlungen die Situation schlimmer als nötig gemacht haben." Der Grund für diesen rührseligen Brief fehlte also, aber dazu gleich mehr.

Am vergangenen Freitag hat Rodriguez beim Spiel gegen die Detroit Tigers den Ball über den Zaun im Yankee Stadium in der Bronx geprügelt, er wurde dafür von mehr als 44 000 Zuschauern mit Ovationen und Jubelrufen bedacht. Kein Wunder, es war der 3000. Treffer in seiner Karriere; ein Meilenstein, den vor ihm erst 28 andere Baseballspieler erreicht haben. Der Fan, der den Ball gefangen hat, feilscht gerade mit den Verantwortlichen der Yankees um die Rückgabe, mehrere Auktionshäuser haben Interesse an einer Versteigerung bekundet und einen sechsstelligen Erlös in Aussicht gestellt.

"Es gab Tage im vergangenen Jahr, da dachte ich, dass ich niemals wieder eine Baseball-Uniform tragen und in diesem Stadion vor diesen Fans würde spielen dürfen", sagte Rodriguez: "Alles in dieser Saison ist eine Überraschung für mich. Ich habe dieses Spiel noch nie so genossen wie in diesem Jahr."

Nun ließe sich denken: Schön, dass ein mittlerweile 39 Jahre alter Profisportler noch derart viel Spaß an seiner Profession hat! Aber Alex Rodriguez ist eben alles andere als ein normaler Profisportler. Für den Zeitraum zwischen 2001 und 2003 wurde ihm ein erstes Mal die Einnahme leistungsfördernder Mittel nachgewiesen. Zehn Jahre später flog er im Skandal um die Dopingklinik Biogenesis ein zweites Mal auf. Er wurde wieder als Kunde enttarnt, der sich mit Verbotenem eingedeckt hatte und deshalb für die komplette vergangene Saison gesperrt; wohl auch zwischen 2010 und 2012 hatte A-Rod, wie er genannt wird, seinen Körper mit Dopingmitteln gefüllt. Eine Gefängnisstrafe hatte er nur durch ein umfassendes Geständnis über Bestechung, Behinderung der Justiz und Einschüchterung von Zeugen sowie Aussagen gegen seinen Cousin Yuri Sucart abwenden können.

Sucart wurde vor wenigen Wochen wegen seiner Rolle als Drogenbote zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt. Dem Dopingarzt Tony Bosch waren zuvor bereits vier Jahren Haft zugesprochen worden. Rodriguez dagegen läuft frei herum und schlägt sich in die Rekordbücher. Er hat vor wenigen Wochen Willie Mays auf der Liste der besten Homerun-Schläger überholt; A-Rod liegt derzeit mit 668 auf Platz vier. Dafür schulden ihm die Yankees zusätzlich zum Grundgehalt von 21 Millionen Dollar in dieser Saison einen Bonus von sechs Millionen Dollar, den der Verein allerdings gerade zurückhält mit der Begründung, aufgrund des Doping-Skandals nicht dazu verpflichtet zu sein. Rodriguez hat bereits angekündigt, dagegen klagen zu wollen, sagt nun jedoch: "Mit solchen Dingen beschäftige ich mich nicht. Ich genieße einfach den Moment und die Art und Weise, wie mich die Fans derzeit behandeln."

Das führt zurück zu dem Brief aus dem Februar. Der war genau genommen ein Witz. Denn: Rodriguez entschuldigte sich damals für nichts, er gab nichts zu, er hätte ehrlicherweise auch schreiben können: "Vielen Dank, liebe Liga! Vielen Dank, lieber Verein! Vielen Dank, liebe Fans! Dafür, dass Ihr mich einfach weiterspielen lasst."

Die Leichtathletin Marion Jones musste ihre olympischen Goldmedaillen zurückgeben. Dem Radfahrer Lance Armstrong wurden die Tour-de-France-Siege aberkannt. Im Baseball dagegen wird einfach weitergezählt. Selbst jene Homeruns und Hits in der Zeit von 2001 bis 2003, in der Rodriguez die Einnahme von Dopingmitteln gestanden hat, zählen weiter - was unweigerlich zu der Frage führt, was all die Rekorde dann letztlich wert sind.

Nicht viel, mag man meinen - und doch gilt Rodriguez plötzlich als Geläuterter, der in seiner Karriere eben alles dafür getan hat, seine Leistungen zu verbessern. Derlei wird in der amerikanischen Sportkultur bis zur Überführung wegen illegaler Handlungen durchaus honoriert. Das amerikanische Sportgedächtnis, es scheint ein sentimentales, ein unkritisches zu sein.

Mittlerweile jedoch tauchen im Internet auch Briefe auf, die Rodriguez' Schreiben persiflieren. "Ich lebe gerade diesen Traum", heißt es in einem. Für Rodriguez mag das sogar stimmen. Für kritische Beobachter aber ist es eher ein Albtraum.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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