Baseball:Ungewohnte Erschütterung

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Muss auch in Hamburg übernachten: Pitcher Clayton Voechting. (Foto: Walter Keller/oh)

Regensburgs Baseballer lassen in den Playoffs die alte Souveränität vermissen.

Von Maximilian Ferstl

Am Ende des siebten Innings wirft Kai Gronauer einen langen Blick hinüber zur Anzeigetafel. Dann schüttelt er sachte den Kopf. Der Trainer der Regensburg Legionäre gilt als ruhiger Vertreter, ein Spiel verfolgt er mit stoischer Ruhe. Das Kopfschütteln sagt: Hier, im zweiten Spiel des Playoff-Viertelfinales um die deutsche Baseball-Meisterschaft, ist etwas gewaltig schiefgelaufen. Die Hamburg Stealers, die nicht für ihre wuchtige Offensive bekannt sind, haben soeben binnen zweier Innings aus einem 0:4 eine 7:4-Führung gemacht.

"Da ist alles zusammengekommen", sagt Gronauer nach dem Spiel im schattigen Spielertunnel. Die Regensburger Baseballer haben am Ende 6:7 verloren, doch Gronauer spricht so unaufgeregt wie am Vortag, als er Regensburgs klaren 10:0-Sieg erklärte ("war in Ordnung"). Was die Niederlage bedeutet? "Das heißt nur, dass wir in Hamburg übernachten müssen", beschwichtigt Gronauer.

Das allerdings war so nicht einkalkuliert. Viel lieber wäre den Legionären ein Tagesausflug in die Hansestadt gewesen, bei dem sie mit dem dritten Sieg die Best-of-Five-Serie entschieden hätten. Daraus wird nun nichts. Immerhin dürfte die Reise bekannt sein. Beide Teams treffen bereits zum sechsten Mal innerhalb von acht Jahren aufeinander, stets kam Regensburg weiter. Der Sieg vom Sonntag ist erst Hamburgs dritter Erfolg über Regensburg, der Lohn ist ein sicheres zweites Heimspiel. "Ziel erreicht", meinte Hamburgs Trainer Jens Hawlitzky. Für die Regensburger hingegen ist die Niederlage ein weiterer Dämpfer in einer ohnehin sehr holprigen Saison. Erst verließ Philipp Howard, ein langjähriger Legionär, den Verein - nicht ohne Nebengeräusche. Dann fiel Neuzugang Blake Hassebrock, die große Pitcher-Hoffnung, verletzungsbedingt die ganze Saison aus. Ende Juni schließlich die größte Erschütterung: Die Legionäre entließen Trainer Ivan Rodriguez. Es war die erste Trennung während einer laufenden Spielzeit. "In unserem Konzept baut alles aufeinander auf, von den Einsteigern bis zur ersten Mannschaft", sagte Vorstand Armin Zimmermann zur Begründung: "Das funktioniert nur, wenn der Cheftrainer das auch so organisieren will."

Hitting Coach Kai Gronauer, 29, übernahm, vorerst bis Saisonende. Das sei eine Chance, sich zu beweisen, meinte Zimmermann. Aber auch eine Rolle, in die Gronauer erst hineinwachsen musste. In den vergangenen Wochen wirkte die Mannschaft, als ob ihm das gelingen würde. "In der Mannschaft passt es wieder. Man spürt die Motivation auch von außen", fand Zimmermann. Solche Sätze gehen natürlich leichter über die Lippen, wenn das eigene Team gerade den warmen Applaus für ein 10:0 entgegennimmt. Doch sind sie nach einer Niederlage nicht zwangsläufig falsch.

Regensburgs Offensive gelangen insgesamt sechs Punkte gegen Hamburgs Starwerfer Louis Cohen, "den vielleicht besten Pitcher der Liga" (Gronauer). Unübersehbar war auch der Wille, mit dem sich die Legionäre gegen Ende auf einen Punkt heranschoben. Doch war es an diesem Tag nicht genug, um die eklatanten Fehler in der Defensive zu überdecken. Im sechsten Inning etwa schlug Hamburgs Michael Franke den Ball flach auf die rechte Seite. Regensburgs Christopher Howard hätte ihn locker aufnehmen können, griff aber ins Leere und ließ so den Ball durch seine Beine hoppeln. Im siebten Inning wiederum wollte Nino Sacasa den Ball zu Lukas Jahn an die zweite Base befördern, um ein Double Play einleiten; einen Spielzug, der zwei Hamburger vom Feld schicken und eine prekäre Situation entschärfen könnte. Doch Sacasa warf aus kurzer Distanz vorbei. Zum Kopfschütteln. "Solche Fehler habe ich seit einer Ewigkeit nicht gesehen", sagt Trainer Kai Gronauer. "Das können die Jungs normalerweise aus dem Effeff."

Nur was ist in dieser Saison schon normal? Vielleicht das: "Regensburg bleibt natürlich der Favorit", meint Stealers-Trainer Hawlitzky. Doch dann fügt er lächelnd an: "Aber diesmal haben wir eine echte Chance."

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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