Baseball-Rekord:Erstaunliche Muskelberge

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Barry Bonds hat den Homerun-Rekord im US-Baseball eingestellt. Doch seine Leistungen sind von schweren Vorfüllen getrübt. Er wird ausgebuht.

Joachim Mölter

Man konnte Barry Bonds die Erleichterung ansehen am Samstagabend. Der als grimmiger Stoiker bekannte Baseball-Profi lächelte unbeschwert wie selten zuvor, nachdem der gewaltige Erwartungsdruck von ihm abgefallen war. In San Diego hatte der 43-Jährige den 755. Homerun seiner Karriere geschlagen und damit die Höchstmarke der nordamerikanischen Profiliga MLB eingestellt. Das Ereignis beherrschte die Nachrichten in den USA.

Der Jubel: Barry Bonds hat den Rekord gebrochen. (Foto: Foto: Reuters)

Um den Rekord zu verstehen, muss man wissen: Baseball ist für die Amerikaner ein Kulturgut. Die von April bis November andauernden Spiele bieten Gesprächsstoff wie das Wetter, und der Homerun-Rekord hat noch eine besondere Bedeutung. Seit der legendäre George Herman Ruth, genannt Babe, die Marke anno 1935 auf 714 Treffer festgesetzt hat, ist sie erst einmal überboten worden - von Hank Aaron, der seine Laufbahn 1976 mit 755 Homeruns beendete. Rekorde, die länger Bestand haben, sind selten im Sport und entsprechend wertvoll.

In den nächsten Tagen wird nun also Barry Bonds - aller Voraussicht nach vor heimischem Publikum in San Francisco - den Rekord in seinen alleinigen Besitz bringen, wenn er das nächste Mal den Ball mit einem Schlag aus dem Spielfeld drischt und somit punktet. "Aber der schwierige Teil ist jetzt vorüber", sagte er am Samstag sichtlich erleichtert.

Bonds' Jagd nach den Rekord war begleitet von schweren Vorwürfen. In fast allen Stadien außerhalb seiner Heimatstadt wurde er ausgebuht: Wegen seines arroganten, bisweilen rüden Umgangs mit Fans, Mitspielern und Medien schaffte er es nie zum Publikumsliebling. Zuletzt kam erschwerend hinzu, dass er als Doper gilt, auch wenn er sportrechtlich nicht zu belangen ist, weil die MLB eine laxe Antidoping-Politik betreibt wie kaum eine andere Sportorganisation.

Bonds' Name taucht in den Ermittlungsakten der Balco-Affäre auf. Die bei San Francisco angesiedelte Firma hat neben legalen Nahrungsergänzungsmitteln auch illegale Substanzen hergestellt, die mit üblichen Testverfahren nicht nachweisbar waren. Die Aufdeckung der Machenschaften vor vier Jahren hat zum bislang größten Dopingskandal in den USA geführt; in der Causa ist der Fitness-Coach Greg Anderson zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Anderson war Bonds' persönlicher Trainer zu einer Zeit, in welcher der Profi sich noch einmal erstaunliche Muskelmassen zulegte und zu für sein Alter ungewöhnlichen Leistungen aufschwang.

Bonds' ehemalige Geliebte sagte vor einem Geschworenengericht dazu vertraulich aus, dass der bis dahin auch ohne unzulässige Hilfsmittel enorm produktive Profi seit 1999 zu Steroiden gegriffen habe, aus gekränkter Eitelkeit. Der ehrgeizige Bonds habe es nicht verwinden können, dass der offensichtlich gedopte Mark McGwire im Jahr zuvor umjubelt wurde, als er den Saisonrekord für Homeruns auf 70 schraubte. Seit 2001 hält der Muskelprotz Bonds auch diese Marke (73), aber die allgemeine Anerkennung für seine Leistungen bleibt ihm versagt. Einer Umfrage zufolge sähe es mehr als die Hälfte aller Baseball-Fans in der USA lieber, wenn ihm der Rekord verwehrt bliebe.

© SZ vom 6.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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