Baseball-Profiliga MLB:Triumph der Migranten

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Die Washington Nationals krönen eine außergewöhnliche Saison mit dem ersten Titelgewinn ihrer Klubgeschichte und einer politischen Botschaft. Denn die Sieger verkörpern das, was dem US-Präsident Donald Trump fremd ist: ethnische Diversität.

Von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump ist Yankees-Fan. Er ist ein reicher New Yorker, und die Baseball-Mannschaft für reiche New Yorker sind die New York Yankees. Eine Besonderheit des Klubs ist, dass die Spieler stets frisch rasiert aufs Feld gehen müssen. Bärte sind verboten. Nicht falsch verstehen - die Yankees spielen ausgezeichnet Baseball. Aber dieses Jahr war nicht das Jahr der Yankees, was man auch über Donald Trump sagen könnte, der ebenfalls keine Bärte mag und mitten in einem Amtsenthebungsverfahren steckt.

Die Yankees also wurden im Halbfinale der Baseball-Meisterschaft von den Houston Astros besiegt. Allerdings war dieses Jahr auch nicht das Jahr der Astros. Sie wurden in der Finalserie, der sogenannten World Series, von den Washington Nationals besiegt - 6:2 endete am Mittwoch das siebte, entscheidende Match. Die Spieler der Nationals tragen Bärte in jeder Form und Farbe, und ihre Fans haben Trump ausgebuht, als der im fünften der sieben Endspiele im Stadion saß. So schließen sich in Sport und Politik die Kreise.

Manche Leute fanden es unhöflich, den Präsidenten der USA bei einem Ereignis mit Buhrufen zu empfangen, bei dem sich doch alle gemeinsam an Sport und Spiel erfreuen sollen. Andere Menschen fanden es großartig. Jedenfalls war die Frage, wer dieses Jahr Baseballmeister wird - die Nationals aus dem linken Washington oder die Astros aus dem konservativen Texas - plötzlich auch eine politische.

Nach diesem Maßstab kann man sagen: Trump hat verloren. Wobei die Nats es ihren Fans nicht leicht machten. Nachdem sie die ersten beiden Spiele in Houston gewonnen hatten, wurden sie daheim in den Spielen drei bis fünf (das war das mit den Buhrufen) regelrecht eingesargt. Danach benötigten die Astros nur noch einen Sieg, um die Best-of-7-Serie und die Meisterschaft für sich zu entscheiden.

Viele Bartträger und viele außerhalb der USA geborene Baseball-Profis: ein stolzer Teil des Siegerteams aus Washington. (Foto: Kevin Dietsch/imago)

Zweimal versuchten die Astros, diesen letzten Sieg zu erringen. Zweimal wurden sie zu Hause geschlagen. Spiel sechs endete 7:2 für die Nationals. Mit dem 6:2 im letzten Spiel machten sie den Sack zu. Erstmals seit 1924 gewann so wieder ein Team aus der Hauptstadt die World Series. Damals waren es die Washington Senators.

Der Sieg war auch im finalen Wettstreit keineswegs sicher. Bis zum siebten Spielabschnitt hatte der Werfer der Astros, Zack Greinke, die Nationals eisern im Griff. Greinke kann schnelle Bälle werfen aber auch gemächliche; und er kann sie auf sagenhaft krummen Flugbahnen segeln lassen. Die Schlagmänner der Nats wirkten verzweifelt und verwirrt.

Und Verwirrung ist im Baseball fatal. Alles Entscheidende passiert auf ein paar Quadratzentimetern und in Bruchteilen von Sekunden. Die Bälle fliegen 80, 90 oder 100 Meilen pro Stunde - schneller, als man auf US-Highways fahren darf. Die Reaktionszeiten sind kurz wie Wimpernschläge - o,4 Sekunden oder weniger. Im Grunde ist das, was professionelle Baseballspieler machen, unmöglich. Der einzige Weg, das Unmögliche trotzdem zu tun, ist die Perfektion.

Gegen Greinke gelang den Nats diese Perfektion lange nicht. Bis zum siebten Inning führten die Astros 2:0. Aber dann: Magie und Wahnsinn. Zuerst schlug Anthony Rendon (fusseliger Kinnbart) einen monströsen Homerun - nur noch 2:1 für die Astros. Dann wechselten die Astros Greinke aus - ein unerklärlicher, verheerender, meisterschaftschancenvernichtender Fehler. Denn im Duell mit Ersatzwerfer Will Harris fügten die Nationals den Astros irreparablen Schaden zu: Howie Kendrick (schütterer Vollbart) knallte einen weiteren Homerun hinterher, der zwei Punkte einbrachte - 3:2 für die Nationals. Juan Soto (glattrasiert) trat an, traf und brachte noch einen Läufer heim - 4:2. Schließlich schlug Adam Eaton (dicke Schifferkrause um Mund und Kinn) einen Ball ins Feld, der zwei weitere Spieler der Nationals punkten ließ - 6:2, Meisterschaft.

Entscheidender Treffer: Howie Kendrick (rechts) bringt sein Team mit einem Schlag nach vorn. (Foto: Erik Williams/USA TODAY Sports)

Verdient? Unbedingt! Der Sieg über die Astros war für die Nationals das Ende einer sagenhaften Saison. Sie hatten miserabel begonnen, Ende Mai hockte das Team mit 19 Siegen und 31 Niederlagen im Keller der Tabelle. Dann ereignete sich eine spektakuläre Baseball-Wende. Die Nats gewannen, gewannen, gewannen. Sie zogen in die Playoffs ein. Sie besiegten Milwaukee im Wildcard-Spiel (4:3), anschließend in den Playoff-Serien die Los Angeles Dodgers (3:2), St. Louis (4:0), schließlich Houston (4:3). In drei von diesen Duellen lagen sie im entscheidenden Spiel zurück und starteten stets ein Comeback.

Das ist wohl die amerikanischste Art zu gewinnen. Vom Tellerwäscher zum, nun ja, Baseballmeister. Wobei die Gehälter der Nats-Spieler natürlich kein Tellerwäscherniveau haben. Das Wunderbare war jedenfalls: Die Nationals gewannen auch deswegen, weil sie als Team so sind wie das echte Amerika. Nicht wie das Amerika, das Donald Trump sich wünscht.

Baseball war lange Zeit ein sehr weißer Sport. Und es war ein Sport, bei dem jede Gefühlsäußerung eines Spielers oder gar - Gott bewahre - jeder Jubel verpönt war. Anders gesagt: Baseball konnte (und kann), was die ethnische Diversität und die emotionale Intensität angeht, eine öde Angelegenheit sein. Auch die Washington Nationals waren bis vor Kurzem eine Mannschaft, die überwiegend aus stoischen weißen Männern bestand.

Das freilich hat sich durch den Zuzug von Arbeitsmigranten aus Lateinamerika gründlich geändert - durch Leute also, die Trump lieber draußenhalten würde. Die Nationals haben eine ganze Reihe von Spielern eingekauft, die nicht in den USA geboren wurden: die Venezolaner Gerardo Parra und Anibal Sánchez zum Beispiel oder Juan Soto und Victor Robles, die beide aus der Dominikanischen Republik stammen. Diese Spieler sind exzellente Baseballer, aber sie haben auch eine Leichtigkeit und einen Spaß ins Spiel der Nats gebracht, der dem Sport, der harte Arbeit ist, oft fehlt. Nichts zeigte das in den vergangenen Wochen besser als die hysterische Begeisterung in Washington wegen eines Kinderlieds mit dem Titel "Baby Shark", das Gerardo Parra im Stadion spielen ließ, wenn er zum Schlagen antrat. Und immer wenn die Nats Spaß hatten, gewannen sie.

Vielleicht steckt im Sieg der Nationals ja auch eine Lehre für Amerika. Das Land, nach drei Jahren Trump verbittert und gespalten, könnte es gebrauchen.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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