Augsburg in der Champions Hockey League:Aschenputtel im Achtelfinale

Lesezeit: 4 min

Die Panther schaffen als letzter Klub den Sprung in die K.-o.-Runde der Champions Hockey League. Erstmals überstehen alle deutschen Teams die Gruppenphase des Wettbewerbs.

Von Johannes Schnitzler

Als Martin Baumann im August auf dem Münchner Marienplatz sagte: "Ich bin wirklich sehr gespannt auf die Augsburger, die Erwartungshaltung in Europa ist sehr, sehr hoch, was sie betrifft", da war das im Grunde nicht mehr als eine Höflichkeitsadresse. Baumann ist Geschäftsführer der Champions Hockey League (CHL), des größten kontinentalen Wettbewerbs für Klubmannschaften, und die Augsburger Panther, die gerade mit Platz drei in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) das beste Vorrunden-Ergebnis ihrer Geschichte gefeiert hatten, stellten sich als neues Mitglied in diesem Zirkel vor. Dass die Erwartungshaltung an sie besonders hoch sein könnte, daran dachte damals niemand. Am ersten Spieltag der DEL, als der EHC Red Bull München - in der vergangenen Saison als erstes deutsches Team in einem CHL-Finale - in Augsburg gastierte, da sangen die Fans des EHC: "In Europa kennt euch keine Sau." Das war soweit ganz richtig und nichts weiter als das übliche Geplänkel; die AEV-Anhänger hatten zuvor in die andere Richtung gehöhnt: "Selbst in München kennt euch keine Sau."

„Unglaublich! Sensationell! Wahnsinn! Es ist vollbracht!“ – Siegtorschütze Matt Fraser und Brady Lamb (v.r.) feiern den 3:2-Sieg in Liberec. (Foto: Vit Cerny, CTK Photo / Imago)

Champions-League-Impresario Baumann aber predigt seit der Neuorganisation des Wettbewerbs im Jahr 2014, dass es einmal eine "deutsche Cinderella-Story" bräuchte. Weil Deutschland einer der wichtigsten Eishockey-Märkte in Europa ist.

Die Münchner Finalteilnahme im Februar war für Baumann ein verheißungsvolles Flittern. Aber als Aschenputtel lässt sich der mit viel Geld von Red Bull veredelte Luxuskader beim besten Willen nicht verkaufen. Insofern war es wohl auch der Geschäftssinn des tüchtigen Schweizers, der Baumann hoffen ließ, darauf, dass die euphorisierten Augsburger mit ihrem stimmgewaltbereiten Anhang der CHL einen kräftigen Farbtupfer verpassen könnten. Und die Panther taten ihm den Gefallen. Als letzte von 32 gestarteten Mannschaften qualifizierten sich die Debütanten am Mittwochabend für das Achtelfinale. Vor mehr als 1000 Fans des AEV, die zum größten Teil mit einem Sonderzug angereist waren, setzte sich die Mannschaft mit viel Leidenschaft (und noch mehr Glück) 3:2 bei den Bili Tygri im tschechischen Liberec durch und zog als Tabellenzweiter der Gruppe C hinter dem schwedischen Klub Lulea HF in die Runde der letzten 16 ein. Zuvor waren bereits der deutsche Meister Adler Mannheim und München ins Achtelfinale vorgerückt, jeweils als Gruppenerste. Damit stehen erstmals in der Geschichte der CHL alle deutschen Klubs in der K.-o.-Runde.

War die Versetzung von München und Mannheim zu erwarten - beide waren schon vor dem letzten Spieltag qualifiziert, die Münchner konnten es sich sogar leisten, Manager Christian Winkler als Ersatztorwart auf die Bank zu setzen -, war Augsburgs Aufstieg ein kleines Wunder. "Unglaublich! Sensationell! Wahnsinn! Es ist vollbracht!", stand auf der Panther-Homepage. In die Liga ist das Team von Trainer Tray Tuomie einigermaßen schwerfällig gestartet, die ersten fünf Heimspiele gingen alle verloren. In der CHL aber waren die "kleinen Pantherlein", wie Hauptgesellschafter Lothar Sigl sie gerne nennt, sofort voll da, gewannen die ersten Spiele in Lulea und Belfast jeweils 3:2 und ließen sich auch nicht irritieren, als sie vergangene Woche den ersten Matchball gegen Liberec vergaben. "Die CHL ist für uns eine riesige Ehre. Das ist unsere Belohnung für die letzte Saison", sagte Panther-Kapitän Steffen Tölzer den Eishockey News. Am Mittwoch brauchten sie noch einen Punkt und gingen durch Patrick McNeill (3.) früh in Führung. Doch dann wurden die Beine schwer. "Wir haben nicht diese Tiefe im Kader wie Mannheim oder München", sagt Tuomie. Das Spiel in Liberec war das siebte Pflichtspiel für die Schwaben im Oktober, und es sollte "eines der härtesten" werden.

Weiße Tiger (Bili Tygri) gegen schwarze Panther: Die Paarung klang ein bisschen nach Siegfried und Roy, den beiden ehemaligen Las-Vegas-Zauberern. Und tatsächlich sollte es eine magische Nacht werden für die Augsburger und ihren Anhang. Nachdem Liberec drei Sekunden vor der ersten Pause 2:1 in Führung gegangen war, schwammen die Gäste im zweiten Drittel bedenklich. Aber Torhüter Olivier Roy hielt sie mit 34 Paraden über Wasser. Verteidiger Simon Sezemsky nutzte eine der sehr seltenen Chancen zum Ausgleich (35.). Und als die eigentlich überlegenen Tschechen ihren Torhüter Marek Schwarz für einen weiteren Feldspieler vom Eis nahmen, löffelte Matt Fraser, mit sieben Treffern der erfolgreichste CHL-Torschütze eines deutschen Teams, den Puck über die gesamte Eisfläche zum 3:2 für Augsburg ins Tor (59.). "Es war sicher nicht unser bestes Spiel", gab Tuomie zu. "Aber wir wollten nicht, dass die Reise in Liberec endet."

Augsburg, die einzige deutsche Mannschaft, die in allen sechs Gruppenspielen gepunktet hat, ist nun also zumindest einmal im Achtelfinale der CHL angekommen. Aber auch die in den ersten Jahren belächelte CHL in Deutschland. "Wir haben viele Glückwünsche erhalten", berichtete Tuomie. "Sogar München hat uns gratuliert." Zu den Heimspielen der Panther kamen im Schnitt fast fünfeinhalbtausend Zuschauer, mehr als in der DEL, in Mannheim waren es 8200. Nur München (3066) hinkt etwas hinterher. Dennoch: Die CHL interessiert die deutschen Eishockey-Fans. "Das ist eine gute Show und eine gute Sache, dass so viele Leute unsere Spiele verfolgen", sagte Tuomie. "Gut für uns, gut für den Klub, für die Stadt und für das deutsche Eishockey." Und gut für Martin Baumann, der weiter auf eine Augsburger Aschenputtel-Geschichte hoffen darf.

Im Achtelfinale könnten die Panther neben Rekordchampion Frölunda auf Mannheim oder München treffen. "Schweden oder die Schweiz wäre schön", sagt Tuomie, aber sie nähmen es, "wie es kommt". Die Auslosung der Begegnungen an diesem Freitag, 12 Uhr, in Helsinki nimmt Sami Hyypiä vor. Vielleicht beweist der ehemalige finnische Fußball-Nationalspieler als Losfee auch ein magisches Händchen. Augsburg gastiert am Abend in Mannheim, der Tabellenachte beim Tabellenfünften. Ein europäisches Spitzenspiel am 12. Spieltag der Deutschen Eishockey Liga.

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: