Armin Hary:Der schnelle Rebell

Armin Hary sprintete 1960 als erster Mensch gegen alle Widerstände die 100 Meter in 10,0 Sekunden und gewann als einziger Deutscher in dieser Disziplin Olympia-Gold. Heute wird er 80 Jahre alt.

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Der Rekord: Am 21. Juni 1960 läuft Armin Hary die 100 Meter in der Weltrekordzeit von 10,0 Sekunden - gleich zweimal. Schon im ersten Rennen gewinnt Hary in der magischen Zeit, doch wegen eines angeblichen Fehlstarts wird es nicht gewertet. Hary tobt. Der Starter hatte nicht zurückgeschossen - nur die Funktionäre entscheiden, das Rennen zu annulieren. Weil der deutsche Journalist Gustav Schwenk das Kampfgericht darauf hinweist, dass Hary ein Wiederholungsrennen zusteht, tritt er 35 Minuten später einfach noch mal an. Wieder rennt er handgestoppte 10,0 Sekunden. Diesmal zählt der Weltrekord.

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Schon zwei Jahre zuvor war ein 10,0-Sekunden-Lauf von Hary nicht anerkannt worden, weil die Leichtathletik-Bahn ihn Friedrichshafen minimal zu viel Gefälle hatte. Elektronisch wurden seine 10,0 Sekunden in Zürich mit 10,25 Sekunden gestoppt, allerdings war es auch eine Aschenbahn, kein moderner Tartan-Belag. Ein Zeitnehmer, so erzählte Hary später, beichtete ihm, dass er sogar 9,8 Sekunden stoppte. Das Ergebnis habe er aber unterschlagen. Heute ist Hary nicht unglücklich darüber: "Hary 10,0" klinge einfach besser als "Hary 9,9", sagte er mal der Bild-Zeitung.

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Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom gewinnt Hary (hier bei seiner Ankunft) den Zwischenlauf und holt sich später die Goldmedaille - als bis heute einziger Deutscher im 100-Meter-Sprint. Nach 45 Schritten siegt er in 10,2 Sekunden vor dem Amerikaner Dave Sime. Er war ein Einzelgänger mit dickem Kopf ("Ich brauche keinen Trainer, ich weiß wie ich laufen muss"), Extratouren und schrägen Ideen - Funktionäre mochte er nicht, und sie mochten ihn nicht. "Ich hasste damals Deutschland, das kann sich keiner vorstellen", sagte er vor seinem 80. Geburtstag der Sport Bild.

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Hary war der Sohn eines Bergmannes und wuchs im Saarland auf. In seiner Jugend probierte der gelernte Feinmechaniker und Maschinenschlosser zunächst verschiedene Sportarten aus. Er war als Turner, Fußballer und Handballer aktiv. Mit 15 Jahren spielte er in der saarländischen Handball-Jugendauswahl. Im Alter von 16 Jahren kam er zur Leichtathletik. Beim 1. FC Saarbrücken begann er als Zehnkämpfer.

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Als der Sprinter aus dem Nirgendwo 1958 Europameister wurde, staunte das Publikum, aber es jubelte nicht. Auch beim Weltrekord - die Magie der Zehnnull löste keinen nationalen Rausch aus. "Wir sind 10,0" war nirgends zu lesen. Hary behauptet, er hätte auf einer Aschenbahn auch Chancen gegen den aktuellen Weltrekordler Usain Bolt (9,58 Sekunden) gehabt: "Die hätte ihm bei seiner Größe gar nicht gelegen. Da wäre er im Boden versackt. Ich schätze, er wäre 10,5 Sekunden gelaufen - auf Asche hätte ich ihn schlagen können", sagte Hary der Sport Bild.

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NOK-Präsident Karl Ritter von Halt (r.) beglückwünscht den ersten deutschen Olympiasieger im 100-Meter-Lauf. Ein Hohn der Geschichte. Hary verabscheute Nazis, und ausgerechnet der hochrangige frühere Nazi-Funktionär, der lange vom IOC protegiert wurde, überreichte ihm seine Goldmedaille. Zu seiner damaligen Rolle sagte Hary 1999 in der Frankfurter Rundschau: "Ich war kein aufmüpfiger Jugendlicher, sondern habe nur meine Meinung gesagt. Das war den Erwachsenen in den spießigen 60er Jahren schon zu viel."

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(Foto: Bloechinger/AFP)

Armin Hary posiert bei den Spielen von Rom mit dem legendären Olympiasieger Jesse Owens, der in Berlin 1936 vier Goldmedalien gewann. Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert, um ein objektives Bild der von subjektiv-spießigen Empfindungen überlagerten Leistung Harys entstehen zu lassen. "Erst jetzt wird das Einmalige, das Unwiederholbare seiner Klasse deutlich", schreibt der Journalist Knut Teske in einer Biografie.

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Wie sein gleichaltriger Freund und Weggefährte Martin Lauer, früherer Hürdenweltrekordler und Schlussläufer der deutschen Goldstaffel von Rom, beendete Armin Hary seine Sportkarriere vorzeitig. Im November 1960 zog er sich bei einem Autounfall in Berlin eine Knieverletzung zu. Im Januar 1961 wurde er vom DLV mit einer Sperre bis zum 1. Mai 1961 belegt. Man warf ihm vor, das Ansehen der deutschen Leichtathletik im In- und Ausland durch eine Veröffentlichung in der Illustrierten Quick beschädigt zu haben, und sich außerdem durch eine falsche Spesenabrechnung finanzielle Vorteile verschafft zu haben.

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Dass seine Laufwege im Leben nach dem Sport frei waren von Hindernissen, würde Armin Hary selbst nie behaupten. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Grundstücksmakler geriet er 1980 mit dem Gesetz in Konflikt. Wegen Beihilfe zur Untreue an der katholischen Kirche bei Grundstücksgeschäften wurde er zunächst zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde später auf anderthalb Jahre mit Bewährung und eine Geldstrafe von 20 000 D-Mark gemildert. Er engagierte sich in einem 2004 begründeten Projekt für die Förderung jugendlicher Sporttalente aus sozial schwacher Umgebung oder anderen Problemfeldern. Für diese Initiative erhielt er 2008 das Bundesverdienstkreuz am Bande. "Sport war nur ein Kapitel meines Lebens. Ich habe viele Fehler gemacht, aber auch viel gut gemacht", sagte er 2002 in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung zu seiner Karriere.

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