Argentinien:Leo zu Gast in der Apachen-Show

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Argentiniens Sturmattraktionen Lionel Messi und Carlos Tevez erklären, wie man gegen Deutschland gewinnt: Kämpfen - und unten rum spielen.

Peter Burghardt

Die Nachricht macht schnell die Runde am Stadion, das nach dem Sportschuherfinder Adi Dassler benannt ist und Argentiniens Nationalmannschaft als Übungsstätte dient. Gleich reden Tevez und Messi.

Tevez und Messi: "Wir haben schon bewiesen, dass wir gut Fußball spielen und jedem die Stirn bieten können". (Foto: Foto: dpa)

Das ist an sich schon eine Attraktion, denn Carlos Tevez und vor allem Lionel Messi galten bereits vor dieser Weltmeisterschaft als Attraktionen, Diego Maradona nahm sie in das engere Aufgebot seiner Nachfolger auf.

Südamerikas Fußballer des Jahres der eine, umschwärmtestes Talent der Erde der andere - die zwei würde jeder Gegner fürchten müssen. Das ist nach wie vor so, auch die Deutschen haben vor ihnen den größten Respekt, obwohl sie bislang kaum zu sehen gewesen waren, den Angriff bildeten meistens Hernan Crespo und Javier Saviola.

Jetzt eilen etwa 200 Journalisten in die Lagerhalle neben dem Platz, auf dem sie nur die letzten Trainingsminuten hatten erleben dürfen. Was wird man von den edelsten WM-Reservisten erfahren?

Wenig, denkt man erst, nach Spielen verschwinden die zwei gewöhnlich wie Zwerge hinter den Reportern. Tevez misst 1,68 Meter, Messi hat bei 1,69 Metern zu wachsen aufgehört, jenseits des Rasens standen sie im Ruf wortkarger Jünglinge.

Aber nun sitzen sie droben auf einem Podium, Tevez haut aufs Mikrophon und legt sich in seinem Stuhl zurück, Messi beugt sich vor und bohrt verlegen im Ohr.

Erste, ziemlich bescheuerte Frage. Was für eine Erinnerung sie an den argentinischen WM-Sieg 1986 hätten, den 3:2-Erfolg im Finale gegen Alemania.

Naja, er habe ein paar Bilder davon gesehen. "Ehrlich gesagt erinnere ich sonst nicht viel davon", sagt Messi leise und grinst. Er hat gerade seinen 19. Geburtstag gefeiert. "Ich war zwei, erinnere mich auch nicht", sagt Tevez lauter und lacht, wobei sein schiefer Überbiss und die Narbe um den Hals bedrohlich, aber auch authentisch wirken, ja sympathisch.

Tevez, das merken die Zuhörer gleich, ist gut drauf und gar nicht schüchtern, sondern so angriffslustig wie auf dem Feld, wo er seine Tore im Rhythmus der Musik aus den Armenvierteln von Buenos Aires zelebriert, der Cumbia Villera. Seine Kosenamen lauten Carlitos und Apache, heute eher Apache.

Apache fummelt am Mikrofon herum, "das Scheißding geht ständig aus", dann findet er den richtigen Knopf, das rote Lämpchen leuchtet wieder, seine kehligen Worte hallen wieder durch den Saal, an dessen Ende himmelblauweiße Trikots der Albiceleste hängen.

Die Berichterstatter applaudieren, als sei er gerade mitten durch die Abwehr gedribbelt. Spielst du von Anfang an? "Wissen wir noch nicht, aber ich will von Anfang an spielen und finde, dass ich ein Spieler bin, der dafür geeignet ist." Wird das deine WM, wie du angekündigt hast?

"Keine Ahnung, ob ich überhaupt noch mal eine WM spiele, diese WM ist die Frucht jeden Tages", kein schlechter Satz. Bist du der Spieler des Volkes - nach Umfragen ist er wegen seiner aggressiven Spielweise der beliebteste Fußballer Argentiniens. "Hoffentlich."

Ob er sich freue, dass auch viele Brasilianer für Argentinien seien - er ist ungeheuer populär bei Corinthians Sao Paulo, das vor anderthalb Jahren 22 Millionen Dollar an Boca Juniors überwiesen hatte. "Sie wollen mich nach Chelsea fragen und ob ich nach Brasilien zurückkehre", unterbricht Tevez feixend, "sicher werden Sie mich das fragen."

Also, "ich schulde dem Klub viel, und für mich ist es eine große Befriedigung, dass die Anhänger von Corinthians unsere Mannschaft unterstützen." Kurze Pause, ironischer Blick. "Und ja, ich komme zurück zu Corinthians." Tevez hat angeblich ein Angebot von Chelsea.

Fast vergessen die Berichterstatter, dass da neben ihm ein noch wertvolleres Juwel sitzt, Lionel alias Leo Messi, Europacupsieger mit dem FC Barcelona, Ballkünstler, wohl meist porträtierter WM-Teilnehmer, Werbefigur von Gastgeber adidas.

Ihm behagt es nicht, dass das nun zur Carlitos-Apachen-Show wird. Er will dagegen halten, sich trotz seines scheuen Blicks durchsetzen wie auf dem Platz und in der Heimat, wo sie ihn kaum kannten, weil Messi samt Eltern bereits mit 13 nach Barcelona ausgewandert war, um sich wegen einer Wachstumsschwäche behandeln zu lassen.

Mittlerweile wissen die Argentinier alles über ihn, dass er die unglaublichsten Tricks beherrscht, dass er ein goldenes Kleeblatt im linken Stiefel trägt und an der Seite die Aufschrift Mano de dios, Hand Gottes.

Wie das sei, mit 19 schon Weltstar zu sein und sich auf Plakaten zu sehen? "Ich versuche, es gut für mich und die Mannschaft zu machen und mich zu vergnügen. Ich denk' nicht dran, der Beste der Welt zu sein. Im Stadion vergisst du alles." Zwischendurch macht ihm Tevez prustend das Mikro aus.

"Seid ihr die Globetrotter der Nationalelf, wie Crespo sagt?"

"Die was?", fragt Tevez.

"Die Globetrotter."

"Was ist das?"

"Nordamerikanische Basketballer."

"Aha. Und? Sind die klein oder groß?"

"Groß, aber sie machen den Leuten Spaß, wenn sie aufs Feld kommen, wie ihr." Crespo hat gesagt, wenn es nicht läuft, dann schicke man halt die Globetrotter, die machen dann noch was.

"Hernan ist ein Profi vom Feinsten. Wenn er gute Sachen über mich und Leo sagt, dann macht uns das stolz", sagt Tevez. "Ist doch schön, wenn ein Kollege nett vom anderen spricht, oder", sagt Messi, keine Antwort wird übersetzt.

Muss bloß noch geklärt werden, wie man gegen Deutschland gewinnt. "Ruhig spielen und kombinieren, wie immer. Wir haben schon bewiesen, dass wir gut Fußball spielen und jedem die Stirn bieten können", sagt Messi.

"Kämpfen", ruft Tevez, "und unten rum spielen. Oben könnte es kompliziert werden", wegen der Größe, "wir versuchen es besser unten."

Eier, Eier, Eier

Außerdem: "Huevos, huevos, huevos." Eier, Eier, Eier, also mannhaft. Was macht er im Falle eines Elfmeterschießens? "Auf den Kopf zielen. Wenn das ein Fehler war, dann wird dem Torwart nachher wenigstens was fehlen."

Und die 70.000 auf der Tribüne, zumeist Deutsche? Messi mag es, wenn das Publikum gegen ihn ist, so wie bei seiner Glanzleistung im Halbfinale der Champions League für Barca bei Chelsea. Tevez liebt es, "wenn sie uns ein bisschen anmachen. In solchen Spielen zeigen sich große Spieler und große Mannschaften".

Dann stehen Tevez und Messi auf, und Deutschland hat einen Grund mehr, sich vor dem aufregendsten Stürmerduo der Welt in acht zu nehmen.

© SZ vom 29.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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