Amateurfußball:Geldsegen für die Heimatvereine

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Die Deutsche Fußball Liga überweist jedes Jahr Geld an Vereine, die Profis ausgebildet haben. Die Klubs haben heute mit unterschiedlichen Probleme zu kämpfen.

Von Thomas Gröbner

Plötzlich war diese Mail da, und dann musste sich Andreas Ostermann überlegen, was nun passieren soll mit all dem Geld. Wobei: Wie viel und für was weiß Ostermann immer noch nicht so genau.

Wer anruft bei Ostermann, der hört erst einmal Musik aus dem Hörer dudeln, "FC Bayern, Stern des Südens...". Ostermann, 47, ist Abteilungsleiter von SV Helios-Daglfing, Kreisklasse 5, glühender Verehrer des Vereins, dem man nachsagt, auf einem recht prallem Festgeldkonto zu sitzen. Und jetzt muss er sich plötzlich selbst Gedanken machen, wie sein Verein mit dem "Geldsegen", wie er es nennt, umgehen soll. "Bloß nicht alles auf einmal ausgeben", soviel weiß er schon.

Einige Briefe und Mails haben vor einigen Wochen für großen Jubel bei 124 Amateurvereinen in ganz Deutschland gesorgt. Rund zwei Millionen Euro verteilt die Deutsche Fußball Liga (DFL) an jene Klubs, bei denen Fußballer das Laufen, das Stoppen und den gepflegten Innenristpass gelernt haben, und die im vergangenem Jahr einen Profivertrag unterschrieben und danach ihre ersten Spiele absolviert haben.

Auch 22 Vereine aus Bayern warten auf die Überweisung dieser Ausbildungshonorierung, die im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um eine halbe Million Euro gestiegen ist. Dabei plagen die kleineren Fußballvereine ganz unterschiedliche Nöte, die mit Geld alleine aber kaum zu lösen sein werden.

In Daglfing im Münchner Osten neben der Trabrennbahn seien sie "richtig perplex" gewesen, als vor drei Monaten diese Mail angekommen ist. Seither sei das Geld "das Thema" im Verein, sagt Ostermann. Die Liga wollte wissen, wie lange Milos Pantovic und Adrian Fein beim SV Helios gespielt haben. Beide spielten später in den Nachwuchsmannschaften des FC Bayern. Pantovic debütierte 2015 gegen Bremen sogar in der Bundesliga, als Guardiola nur noch 13 gesunde Feldspieler auftreiben konnte. Inzwischen hat er beim VfL Bochum einen Profivertrag unterschrieben, Fein ist mittlerweile von der zweiten Mannschaft des FC Bayern über Jahn Regensburg an den Hamburger SV ausgeliehen.

Geld gibt es für jede Saison, die die späteren Fußballprofis bei den Amateurvereinen verbracht haben. Für die Jahre zwischen dem sechsten und elften Geburtstag gibt es 4200 Euro für den Verein. Zwischen zwölftem und 21. Geburtstag sind es 5400 Euro, der höhere Betrag soll den gestiegenen Aufwand bei den älteren Spielern berücksichtigen. 2017/18 oder 2018/19 müssen sie - im Alter von höchstens 23 Jahren - ihren ersten Profivertrag unterschrieben haben und in der Spielzeit 2018/19 zu ihrem ersten Pflichtspieleinsatz gekommen sein, so sind die Regeln.

Und weil die beiden wohl drei und vier Jahre in Daglfing spielten, rechnen sie mit etwa 30 000 Euro. "Ganz solide Kinder" seien sie gewesen, erzählt Jugendtrainer Josef Weber, der seit 30 Jahren im Verein ist und mittlerweile in Rente. Man habe ihnen die Ballverliebtheit schon angesehen, an den kleinen Milos könne er sich noch erinnern, "weil man dem richtig zusehen konnte, wie er jede Woche besser geworden ist". Dass jetzt gleich zwei Profis aus dem Helios-Nachwuchs dieses Jahr... "Alles Zufall", unterbricht Weber. Solche Talente auszubilden wird jedoch immer schwieriger. Genug fußballinteressierte Kinder gibt es im Umkreis. Dennoch musste Helios Daglfing vor zwei Jahren einen Aufnahmestopp verhängen: Weil es an ausreichend Trainern mangelte.

Etwa 300 Kinder sind im Training, und wenn auf dem Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne das nächste Neubaugebiet fertig ist, "dann wird es eng mit unserer Kapazität. Wir sind jetzt schon am Limit", sagt Andreas Ostermann. Die Stadt wächst, die Sportvereine ächzen. Deshalb sollen mit dem Geld Trainerlehrgänge bezahlt werden. Für die Ausbildung verpflichten sich die Trainer im Gegenzug dazu, einige Jahre die Helios-Jugend zu betreuen. Die Art von Problemen, über die sie im Ballungszentrum München stöhnen, hätten sie im fränkischen Zirndorf gerne.

"Allmächt, da fragen Sie mich was" - so lange hat der ASV Zirndorf keine eigenen Jugendteams mehr, dass Abteilungsleiter Christian Schlicker erst einmal grübeln muss, wann es war, als der Nachwuchs mit Wachendorf, Weiherhof, Weinzierlein und Winterdorf zusammengelegt wurde in der Spielgemeinschaft JFG Bibertgrund. "Bis 2011 hat jeder Verein vor sich hingewurschtelt und geschaut, ob er eine Mannschaft stellen kann oder nicht", sagt Schlicker.

Der ASV Zirndorf hat sich den hübschen Slogan #Wirackernfürzirndorf gegeben, und profitiert nun auch vom Bundesligadebüt eines früheren Spielers. 11 000 Euro gibt es für die Einsätze von Timothy Tillman als Profi. Das Geld sei "nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Vorstand Lothar Konrad, es fließe in den Tanz-, Handball- und Tischtennisjugend. Denn der Verein muss für eine Zukunft über den Fußball hinaus sorgen: "Wenn unsere passiven Mitglieder irgendwann mal nicht mehr sind, dann schaut es bitter aus."

Fast drei Jahre war Tillman in Zirndorf, dann ging er zum SC Feucht, später nach Fürth, bis der FC Bayern 2016 für den damals 16-Jährigen 500 000 Euro bezahlte. "Timothy Tillman war bei uns das größte Talent seit 30 Jahren. Sein Weggang ist eine Katastrophe für den Verein", sagte der frühere Fürth-Präsident Helmut Hack damals. Im vergangen Jahr wurde Tillman nach Nürnberg verliehen, wo er in der Abstiegssaison in der Bundesliga spielte. Inzwischen ist er wieder bei Bayern II. "Solche Summen. Und wir werden mit Kleingeld abgespeist", sagt Konrad. Er würde sich wünschen, dass die Profis hin und wieder zu Freundschaftsspielen vorbeischauen würden. Früher habe man sich die Einnahmen aus diesen Partien dann geteilt: "Wenn ich den FC Nürnberg heute anfrage, dann wollen die 30 000 Euro."

Ganz anders ist die Lage an der Donau im niederbayerischen Windorf. Im März hatte der Verein seine Mannschaft in der A-Klasse zurückgezogen, sieben treue Windorfer blieben übrig. Ein Punkt bei sechs erzielten Toren und 128 Gegentreffer - das war die Schreckensbilanz nach der Hälfte der Saison. Die Wintervorbereitung hat man dann gleich bleiben lassen. "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Jugend", hatte Armin Fuchs, Vorsitzender des FC Windorf, trotzig verkündet. Da passt es gut, dass Fürths Abwehrmann Maximilan Bauer sowohl in Windorf als auch für den Nachbarn Rathsmannsdorf gespielt hat. Der Nachwuchs in der Spielgemeinschaft profitiert so gleich doppelt.

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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