Alpe d'Huez:Doppelter Thomas

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"Es ist unglaublich, ein Sieg in Gelb in L'Alpe d'Huez", sagt Geraint Thomas nach dem Rennen. (Foto: David Stockman/dpa)

Der Brite Geraint Thomas hat die letzte Alpen-Etappe gewonnen. Und zum zweiten Mal seinen Kapitän im Sky-Team, Chris Froome, abgehängt.

Von Johannes Knuth, Alpe d’Huez

Für einen Moment fuhren sie einträchtig nebeneinander, als würden sie sich schon auf der zeremoniellen Abschlussetappe zum Champs-Élysées in Paris befinden. Aber die vier Fahrer steckten gerade mitten in der wohl schlimmsten Schinderei, die die Tour de France in diesem Jahr bereithielt, die letzten Kehren hinauf nach Alpe d'Huez. Und so rollten sie am Donnerstag bergauf, Romain Bardet, Tom Dumoulin, Christopher Froome und Geraint Thomas, wie vier Pokerspieler vor der finalen Runde: Wer würde als Erster seine Karten spielen, wer hatte das beste Blatt - im Kampf um den Tagessieg, ein bisschen auch mit Blick auf die Gesamtwertung?

Am Ende war es wieder ein triumphaler Tag für die britische Equipe Sky, auch wenn der Tag nicht ganz dem erwarteten Skript folgte. Es war nicht Froome, sondern Thomas, der sich auf den letzten Metern von den Verfolgern löste und gewann; er verteidigte auch sein Gelbes Trikot, das er am Tag zuvor bei der Bergankunft in La Rosière angelegt hatte. Froome wurde Vierter, hinter Dumoulin und Bardet. Der Titelverteidiger und viermaliger Tour-Sieger aus Großbritannien hat nun schon 1:39 Minuten auf seinen Adjutanten eingebüßt. Die ersten Vorboten eines Thronwechsel? "Froome ist weiter unser Leader", beteuerte Thomas, "ich kann nächste Woche noch viel Zeit verlieren. Aber wir werden sehen." Der besagte Leader verweigerte zunächst einmal die Aussage.

Schon um neun Uhr morgens waren sie am Donnerstag in Scharen nach Alpe d'Huez mit seinen 21 Kehren gepilgert. In Kurve sieben warteten die Holländer, wie immer, sie trugen Trikots, Warn- und Bauarbeiterwesten, alles, was orange leuchtete. Kurve sieben feierte seine Ganztagesparty, bei der es früher schon mal zu einem Grillgelage auf dem gegenüberliegenden Friedhof gekommen war. Und als die Fahrer acht Stunden später kamen, erlebte Kurve sieben ein großes Hallo, ihr Landsmann Steven Kruijswijk behauptete sich noch immer an der Spitze des Feldes.

Aber so, wie die Favoriten ihm hinterherjagten, war bald klar, dass es für Kruijswijk nicht reichen würde. Froomes Helfer hielten das Tempo hoch, wie immer, erstickten alle Attacken. Erst auf den letzten Kilometern zerbröselte die Gruppe, Vincenzo Nibali stürzte (und kämpfte sich zurück), die Gruppe kam wieder zusammen, Thomas siegte im Spurt. Wenn der Waliser seinem Vorgesetzten weiter so zuverlässig Sekunden abknöpft, könnte das eine interessante Schlusswoche werden. Die größten Bauchschmerzen dürfte Sky indes der Umstand machen, wie das Publikum am Donnerstag Froome empfing, der vor der Tour einen undurchsichtigen Freispruch in seiner Dopingaffäre erhalten hatte. Er wurde beschimpft, bespuckt, geschubst. Thomas wurde auf dem Podium ausgebuht. Als die Zeremonie beendet war, warf er seinen Blumenstrauß ins Publikum.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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