Ackermann-Attacke:Ruhm mit blauen Flecken

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Neue Regeln haben der Nordischen Kombination mehr Spannung gebracht - und den ein oder anderen Eklat. Durch die kleineren Start-Abstände kommen sich die Läufer schneller ins Gehege.

Thomas Hahn

Wenigstens hat Ronny Ackermann noch ein bisschen Zeit, um sich zu überlegen, wie er es ihm sagen soll: eher beiläufig im Vorbeigehen, mit Blumen zur Versöhnung oder verpackt in eine kleine Ansprache zum Thema Fairplay auf der Loipe?

Vorne an der Spitze sind alle Egoisten: Ronny Ackermann. (Foto: Foto: Reuters)

Denn irgendetwas wird er sagen müssen zu Hannu Manninen, dem Weltcup-Führenden in der Nordischen Kombination, wenn sie beim nächsten Weltcup in Ramsau am 17./18. Dezember aufeinandertreffen, sonst wird er diese Geschichte vom Wochenende gar nicht mehr los. Und mittlerweile ist er ja auch guten Willens, wie er auf seiner Homepage "aus aktuellem Anlass", wie er schreibt, anzeigt.

Denn da steht: "Mir sind nach dem harten Rennen und dem umkämpften Schlussspurt einfach die ,Gäule' durchgegangen, was ich im Nachhinein bedauere. (...) Aus diesem Grund werde ich beim nächsten Weltcup auf Hannu Manninen zugehen und mich für mein Verhalten entschuldigen."

Der aktuelle Anlass ist ein Ausraster, der einem ausgewachsenen Doppelweltmeister wie Ronny Ackermann eigentlich gar nicht passieren darf. Beim Weltcup in Lillehammer am Sonntag war der drittplatzierte Ackermann so zornig auf den siegreich ins Ziel stürzenden Manninen, dass er ihm einen Hieb mit seinem Stock versetzte.

In Fahrerkreisen heißt es nun, Manninen habe eine Stichwunde nebst blauen Flecken davongetragen, der deutsche Bundestrainer Hermann Weinbuch dagegen sagt, sein Ackermann habe dem Finnen nur einen Klaps im Vorbeilaufen verpasst. Und in finnischen Boulevardzeitungen neigte man zu leichten Übertreibungen ("Totaler Krieg"). Letztlich sind sich aber alle einig, dass Ackermann seinen Stock mal besser bei sich behalten hätte. Und obwohl Selbstkritik sicherlich nicht Ackermanns größte Stärke ist, sieht er seinen Fehler ein.

Sittenverfall im Nordischen Skisport

Die Debatte zu dem kleinen Skandal ist auch längst entbrannt, und die läuft ganz grob darauf hinaus, dass mit der modernen Mediengesellschaft auch der Sittenverfall Einzug gehalten hat im Nordischen Skisport. Denn natürlich führte Ackermann auch einen Grund an für seinen Blackout: Er habe sich im Affekt dafür rächen müssen, dass Manninen ihn beim Überholversuch abdrängte.

Überhaupt pflegt Manninen offenbar einen recht rustikalen Laufstil, schlägt bisweilen mit seinen Stöcken absichtlich nach hinten aus oder räumt Kollegen mit respektlosen Manövern von der Strecke. "Das ist einer mit harten Bandagen", sagt Weinbuch. Und nicht der einzige: Auch dem Amerikaner Todd Lodwick, am Samstag Zweiter, eilt der Ruf voraus, ein rechter Loipen-Rowdie zu sein.

Und Ackermann? Neigt zur Selbstjustiz. Unvergessen ist sein Einsatz gegen Lodwick bei der Nachbereitung des Seefelder Weltcups vergangene Saison, als die Männer sich am Kragen packten und Ackermann rief: "You are so unfair!"

Eigentlich haben die Kombinierer es ja so gewollt. Die fernsehfreundlichen Reformen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass die Abstände nach dem Springen geringer geworden sind und es zu spannenden Positionskämpfen kommt. Da geraten die Favoriten automatisch aneinander, denn gerade im kleinen Kreis der Elite-Kombinierer verliert man nur ungern.

"Klar", sagt Weinbuch, "da vorne an der Spitze sind alle Egoisten." Im Langlauf ist es ähnlich: Massenstarts und Sprintrennen machen den Sport für die Medien interessanter als die Einzelzeitläufe, die bis vor wenigen Jahren den Wettkampfbetrieb bestimmten. Doch der Kampf im Pulk kostet immer wieder gebrochenes Material, verursacht Unfälle und erbitterte Gefechte mit gekreuzten Ski und Stöcken.

Langläufer haben keinen Rückspiegel

Das Gerät der Langläufer ist eben nicht gemacht für den ganz engen Raum. "Die Ski sind das Problem", sagt Toni Innauer, Österreichs Ski-Nordisch-Direktor, "weil die müssen auch durch." Erschwerend für die Langläufer käme hinzu: "Rückspiegel haben die auch keinen."

Weinbuch fordert jedenfalls endlich ein klareres Regelwerk für mehr Zucht und Ordnung im Feld. Auch Innauer sieht im Reglement viel Spielraum für Verwerfungen. Aber ob sich das wirklich abstellen lässt? Innauer hat Zweifel, und Ulrich Wehling erst recht, der Renndirektor des Weltskiverbandes Fis. "Wie wollen Sie das überwachen?", ruft er. "Wir können nur an die Fairness appellieren."

Deswegen will er demnächst auch Athleten und Trainer um sich scharen, um mit ihnen zu sprechen, nachdem er beim Weltcup-Auftakt in Kuusamo schon einmal vergeblich den Versuch unternommen hatte, eine Sitzung mit den Sportlern abzuhalten, weil keiner kam. "Das ist bezeichnend", sagt Wehling. Vielleicht muss er doch zu drastischen Maßnahmen ergreifen für eine höhere Moral auf der Loipe: Rückspiegel einführen und die Stöcke verbieten.

© SZ vom 07.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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