Abstiegskampf:In Schönheit straucheln

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Formschön, nur leider auf der falschen Seite: Münchens Christian Lund Gytkjaer (l.) köpfelt gegen Kaiserslautern den Ball zum 0:1 ins eigene Tor. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

1860 München mag die spielerisch beste Mannschaft im unteren Drittel der Zweitliga-Tabelle sein. Aber wie beim 0:1 in Kaiserslautern zu begutachten war: Das bringt den Klub im wilden Abstiegskampf nicht weiter.

Von Markus Schäflein, Kaiserslautern

"Ich kann meine Mannschaft nur beglückwünschen zu ihrer Leistung", übersetzte der Übersetzer, und die Menschen im Presseraum des 1. FC Kaiserslautern staunten darüber, was Vitor Pereira, Trainer des TSV 1860 München, soeben auf Portugiesisch gesagt hatte. Schließlich hatten die Löwen 0:1 (0:0) verloren, waren von den Pfälzern überholt worden und ganz tief in den Abstiegskampf gerutscht. "Ich beglückwünsche meine Mannschaft auch, denn die Punkte bleiben hier", entgegnete Kaiserslauterns Trainer Norbert Meier, der mit Pereiras Ausführungen zur kompletten Dominanz der Löwen offenkundig nichts anfangen konnte.

Dabei stimmte es ja, dass die Sechziger bei den nervösen, fahrigen und spielerisch eindeutig weniger begabten Lauterern die bessere von zwei schlechten Mannschaften gewesen waren - allein, was nutzte es? Der im Winter mit so vielen Hoffnungen verpflichtete dänische Stürmer Christian Gytkjaer vergab gegen Ende der ersten Hälfte die Großchance zur Führung und traf dann in der 73. Minute ins eigene Tor, als er einen Freistoß des früheren Sechzigers Daniel Halfar klären wollte. "Das ist einfach nur bitter, und doppelt bitter, wenn du gut spielst", meinte Kollege Stefan Aigner, "das tut total weh, vor allem in unserer Situation." Aigner hatte selbst zwei gute Kopfballchancen nach Ecken vergeben, wollte für die Niederlage aber nicht nur die Chancenverwertung verantwortlich machen: "Eine tausendprozentige sehe ich nicht, der letzte Pass, dass einer alleine vor dem Tor steht, war nicht da."

Symptomatisch war eine Szene kurz vor dem Gegentor, als sich der ebenfalls im Winter verpflichtete Außenbahnspieler Lumor den Ball zu weit vorlegte, so dass FCK-Torhüter Julian Pollersbeck noch zuschnappen konnte. "Wir müssen im letzten Drittel konsequenter sein", klagte Mittelfeldspieler Michael Liendl, "wenn die letzte Konzentration bei der Ballannahme fehlt, vergibst du die Chancen." Was die spielerische Leistung anging, sah er es ähnlich wie Pereira: "Wir haben alles reingehauen und einen guten Ball gespielt", fand Liendl, "wir müssen so weitermachen, aber Tore schießen, sonst wird es ganz schwer. In Schönheit sterben nützt nichts. Wir brauchen nicht immer wieder zu betonen, dass wir genug Qualität haben, sondern müssen unbedingt Spiele gewinnen."

Sowohl die Lauterer als auch St. Pauli ziehen an 1860 vorbei

So sahen das natürlich auch die Lauterer, die sich für ihre über weite Strecken mäßige Leistung kaum noch interessierten. "Wir können uns jetzt alle erzählen, wie gut wir sind", meinte Meier mit Blick auf Pereiras Analyse - verzichtete dann aber darauf, denn viel Gutes war ja tatsächlich kaum zu finden beim FCK: "Natürlich war der Gegner heute spieltechnisch überlegen", sagte Meier, "und wir hatten einige junge Spieler auf dem Platz, bei denen man gerade in der Anfangsphase gesehen hat, dass eine solche Situation lähmen kann." 35 Punkte bedeuten zwar auch noch längst keine Sicherheit im irrwitzigen Zweitliga-Klassement, aber zumindest dringend nötigen neuen Schwung für die finalen vier Spieltage.

Diesen Schwung hat der FC St. Pauli schon voll aufgenommen; er schockte die Löwen am Freitagabend zusätzlich, indem er das Spiel in Düsseldorf in der Schlussphase noch drehte und mit dem 3:1-Sieg ebenfalls an den Löwen (33 Punkte) vorbeizog - St. Pauli hat nun wie Lautern und auch Düsseldorf 35 Zähler gesammelt. Auch beim Duell der früheren Sechzig-Trainer Friedhelm Funkel (Düsseldorf) und Ewald Lienen (St. Pauli) gewann nicht gerade die Mannschaft, die überzeugender gespielt hatte. Während Funkel sich über den Schiedsrichter ärgerte, erklärte Lienen: "Das sind für uns drei überlebenswichtige Punkte. Über weite Strecken hat es aber nicht danach ausgesehen."

Wie das Spiel aussieht, das ist die mal wieder bestätigte Erkenntnis, ist im Abstiegskampf eben nicht so wichtig. Da nützen auch die schönsten Glückwünsche nichts.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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