Abschied:Von einem Gedanken kalt erwischt

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70 Tage vor den Olympischen Spielen in Turin beendet die Eisschnellläuferin Monique Garbrecht-Enfeldt ihre Karriere.

Javier Cáceres

Einzig ihr hektischer Augenaufschlag verriet, wie nahe sie den Tränen war, ebenso der verzweifelte Griff an das mit Wasser gefüllte Glas, das sie hastig leerte, um die Nerven zu beruhigen.

Kämpft mit den Tränen: Monique Garbrecht-Enfeldt. (Foto: Foto: dpa)

"Es ist ganz gut, dass sie meinen Herzschlag nicht hören können", sagte die Eisschnellläuferin Monique Garbrecht-Enfeldt zu den Journalisten, die sie ins Haus der Bundespressekonferenz am Berliner Spreeufer geladen hatte.

Dass sie dies ohne Angabe von Gründen tat, legte den Gedanken nahe, sie würde ihren Rücktritt verkünden; es war dem dann auch so. Die Entscheidung, sagte sie, sei ihr nicht leicht gefallen, nun jedoch beginne "endgültig ein neues Kapitel in meinem Leben". Dann schluckte sie.

Ein Päckchen Papiertaschentücher hatte ihr Berater ihr auf den Tisch gelegt, öffnen musste sie es schließlich nicht, weil sie sich "auf neutralem Boden" wähnte.

Auf einer Eisbahn, wo sie alles außer einer olympischen Goldmedaille gewonnen hat, hätte sie nach eigener Einschätzung wohl ebenso geweint wie vor zehn Tagen beim Weltcup in Salt Lake City.

Zwar sei ihr da noch nicht gewahr gewesen, dass sie ihre 15-jährige Profikarriere beenden würde, wohl aber, dass sie sich vermutlich letztmalig am Salzsee aufhielt und daher so manche Freunde eher nicht mehr wiedersehen würde.

Unwissender Trainer

Auch dass sie die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) nicht eingeweiht hatte und diese somit nur über ihren Medienreferenten eine improvisierte Ergebenheitsadresse statt emotionsschwangerer Reden überbringen konnte, halfen Garbrecht-Enfeldt dabei, die Fassung zu wahren.

Sogar ihrem Trainer Joachim Franke hatte sie den Schritt erst am Donnerstagvormittag anvertraut, kurz vor ihrer Presseunterrichtung. "Monique ist eine der ganz großen Athletinnen. Für mich zählte zu ihren und meinen Sternstunden vor allem der zweite Platz bei Olympia 2002. Wie sie sich nach vielen Aufs und Abs im Vorfeld durchgebissen hat, ist kennzeichnend für sie", sagte Franke der Deutsche Presse-Agentur.

Beim Weltcup in den USA hatte die frühere Sprintkönigin vor zwei Wochen die Plätze 22 und 23 erreicht. Auch wenn sie eingestand, dass diese Ergebnisse mit ihrem Anspruchsdenken unvereinbar waren und ihr offenbarten, dass sie von einer Olympiaform weit entfernt war, so beteuerte sie dennoch, dass sie nicht der Grund für den Rücktritt gewesen seien.

"Eigentlich war meine Leistung angesichts meiner Knieprobleme gar nicht so schlecht", sagte sie. Ihr Ehemann Magnus Enfeldt, ehedem selbst Eisschnellläufer, habe sogar diagnostiziert, dass "die Flamme wieder da ist".

Sie jedoch habe schon länger das Gefühl gehabt, "dass diese Flamme" nie durchgängig aufflackerte, sondern "immer mal wieder aus- und dann wieder anging. Jetzt ist sie aus", sagt Monique Garbrecht-Enfeldt.

"Das war mein Leben"

Vor allem während der Saisonvorbereitung im Sommer habe sie an sich gezweifelt, zumal das Knie zwickte, seit Jahren plagt sie ein Knorpelschaden.

Offenbar war es weniger der Gedanke vom Abschied, der sie am vergangenen Wochenende "etwas kalt erwischte", sondern die Erkenntnis, dass sie sich schon jetzt bereit sieht, etwas anderes mit ihrem Leben anzufangen, als auf Kufen durch ein Eisoval zu jagen.

"Immerhin war das mein Leben", sagte sie: "So wie ich 1996 das Gefühl hatte, du kannst es besser als vorher, hatte ich nun ein Gefühl, das mir sagte, das Kapitel Leistungssport abzuschließen." 1995 unterbrach sie ihre Karriere, um ihre berufliche Entwicklung zu forcieren.

Zwar wird Garbrecht-Enfeldt binnen zehn Tagen ihren 37. Geburtstag begehen, doch das ist für Wintersportler mittlerweile nur bedingt ein gehobenes Alter.

Eine weitere Größe Sports, Gunda Niemann-Stirnemann, hat erst vor fünf Wochen mit 39 Jahren ihren Rücktritt erklärt, Bobpilot Christoph Langen war sogar schon 43, als er, wie nun auch Garbrecht-Enfeldt, eine Teilnahme an den Winterspielen von Turin ausschloss, die in rund 70 Tagen beginnen werden.

Wobei: Nach Turin wird Garbrecht-Enfeldt in jedem Fall reisen. Vor einiger Zeit war ihr Gatte nach Italien ausgewandert. Er arbeitet dort als Wettkampfmanager für das Olmypia-Organisationskomitee. Garbrecht-Enfeldt selbst will nun für die Medien tätig werden.

Im Oktober hat sie eine Weiterbildung angetreten, in zehn Tagen wird sie beim Weltcup in Turin dem italienischen Fernsehen als Expertin helfen. Womöglich nimmt sie sogar an Olympia teil, als Medienschaffende. "Wenn es die Chance noch geben sollte, sich zu akkreditieren, würde ich das gerne tun", sagte sie.

© SZ vom 2.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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