Abfahrt in Gröden:Wie ein Intercity

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Und Action: "Ich war von oben bis unten aggressiv, ich habe mich ganz gut gefühlt", sagte Sieger Aksel Lund Svindal nach dem Rennen. (Foto: Wolfgang Grebien/imago/GEPA pictures)

Die Norweger um Sieger Aksel Lund Svindal dominieren auf der immer schneller werdenden Piste in Südtirol. Der junge Deutsche Manuel Schmid überrascht die Elite gleich in seinem ersten Weltcup-Rennen.

Von Johannes Knuth, Gröden

Auf die alpinen Abfahrtsläufer lauert seit diesem Winter eine neue Gefahrenquelle in diesem ohnehin schon gefährlichen Sport; sie ist nicht auf der Piste versteckt, sondern im Zielraum. Der Führende eines laufenden Rennens darf seit diesem Winter nach getaner Arbeit in einen Sessel sinken, er ähnelt einem Autositz, es ist wirklich eine nette Idee - hätte der zuständige Sponsor den Sitz nicht circa drei Nummern zu klein gefertigt. Für handelsübliche Abfahrer zumindest. Abfahrer sind meist breit wie handelsübliche Kleiderschränke, da ist es schon eine Kunst, sich auf diesem neuen Sitz kein Rückenleiden einzuhandeln. Es hatte also vielleicht etwas Gutes, dass der Deutsche Thomas Dreßen, am Samstag für eine Weile Schnellster auf der Saslong-Abfahrt in Gröden, seinen Platz bald wieder räumen musste. Als Dreßen den Norweger Aksel Lund Svindal in Empfang nahm, den neuen Führenden, schüttelte er den Kopf, er lächelte, es war so ein ungläubiges Lächeln.

Was in aller Welt, schien Dreßen zu sagen, hatte Svindal da gerade aufgeführt?

Der alpine Skizirkus macht gerade zum 50. Mal Station in Görden, und die Abfahrt am Samstag, die Königsübung, enttäuschte die Festgemeinde nicht. Als hätten die Athleten sich ihre bislang beste Fahrt des Winters für diesen Tag aufgehoben. Erst preschten die Deutschen in die Spitze, dann die Norweger, später drängelten sich noch ein paar Überraschungsgäste auf die vorderen Ränge. Aber das alles stand am Ende tief im Schatten der Besten, Sieger Svindal und seinem Landsmann und Zweitplatzierten Kjetil Jansrud. Dass die Norweger in Gröden mal wieder die absolute Mehrheit auf dem Podest auf sich vereinten, überraschte kaum jemanden. Beeindruckend war, wie sie ihre Dominanz diesmal zur Schau stellten. Svindal legte mehr als eine halbe Sekunde zwischen sich und Jansrud, Max Franz, der Dritte aus Österreich, war schon knapp eine Sekunde langsamer. "Ich war von oben bis unten aggressiv, ich habe mich ganz gut gefühlt", sagte Svindal nach dem Rennen. Das war vielleicht ein ganz kleines bisschen untertrieben.

Am Ende wird die Piste schneller - wovon ein junger Deutscher profitiert

Die Abfahrt fand unter Wetterbedingungen wie auf der Postkarte statt, minus sieben Grad, eisig, vor allem die Ciastlatwiese, die oft von purem Eis zu überzogen sein scheint, so dass die Skirennfahrer darunter die Blumen zu sehen meinen. Perfekte Bedingungen jedenfalls, nur die Sonne versteckte sich noch hinter dem mächtigen Langkofelfels, aber das sollte nicht lange so bleiben. Mit Folgen.

Die erste Hälfte des Rennens gehörte also den Deutschen, denen schon der Super-G am Freitag gehört hatte, beim ersten Sieg von Josef Ferstl. Diesmal klemmte Thomas Dreßen sich an die Spitze, vor einer Woche war er Dritter in Beaver Creek geworden, Andreas Sander überbot ihn, kurzfristig besetzten die Deutschen die Plätze zwei und drei. Auch Ferstl überzeugte nach dem "schönen Stress" des Vortages als Achter.

Aber diesmal wehte es sie noch etwas nach hinten, weil die Piste am Ende schneller wurde - wovon wiederum ihr Teamkollege Manuel Schmid profitierte, der in seinem ersten Weltcuprennen überhaupt 16. wurde. "Es muss auch mal Rennen geben", sagte Sander, "wo die hinteren Startnummern eine Chance haben". Der 28-Jährige war als 12. am Ende bester Deutscher, 1,31 Sekunden hinter Svindal, er stützte auch so mit Dreßen (13.) und Ferstl (14.) den Trend der letzten Wochen und Monate: Da beißt sich nicht eine Ansammlung an Individuen in der Weltspitze fest, sondern ein Team.

Im Training hatte der Sieger Svindal fünf Sekunden Rückstand

Svindals Start war mit Spannung erwartet worden. Er hatte die chronischen Knieprobleme vor der Saison gedämmt, Nachwehen des Sturzes in Kitzbühel vor knapp zwei Jahren; vor einer Woche gewann Svindal schon wieder die Abfahrt in Beaver Creek. Aber der 34-Jährige hatte zuletzt auch sehr offen darüber geredet, dass sein Körper immer mehr unter der Last des zehrenden Sports ächzt; er werde in Zukunft wohl vermehrt Trainingsläufe auslassen. Zur Not sogar ein Rennen.

In Gröden leistete er sich in den Trainingsläufen zunächst fünf Sekunden Rückstand, um das geschundene Knie zu schonen, aber am Samstag hätte er wohl auch mit Stirnlampe in der Nacht starten können - sie hätten ihn nicht geschlagen. Svindal rauschte über Kamelbuckel und Gleitpassagen wie ein Intercity auf Schienen (die Sprünge ausgenommen), vor der Ciaslat war er den meisten fast eine Sekunde voraus, dahinter mehr als eine. "Da muss man nur den Hut ziehen, nach den zwei Jahren so zurückzukommen", sagte Sander. Der Gelobte verwies scherzhaft auf sein Alter und die Kraft der Erfahrung. "In Gröden ist der Speed sehr groß, du musst ihn bis zum Ende halten. Das habe ich geschafft. Heute muss ich auch unserem Servicemann danken", sagte Svindal, "wir hatten wirklich schnelle Ski".

So gut die Norweger waren, so eng und spannend war es dahinter, Gröden bietet da ja jedes Jahr ein besonderes Schauspiel. Die Piste wird in der Regel nicht langsamer, weil sich Furchen durch den Schnee ziehen, sondern schneller, weil die Sonne am späteren Nachmittag oft hinter dem knapp 3200 Meter hohen Langkofel hervorkriecht, Thermik und Schnee sich verändern. Neben Schmid vom SC Fischen profitierte auch der Schweizer Gilles Roulin, der Vierter wurde, sowie Schmids Landsmann Domink Schwaiger, am Ende 29.

Der Sieger Svindal geht nun in seinen kurzen Weihnachtsurlaub, ehe er dann vor dem Jahreswechsel in Bormio starten wird. Er habe keine Geschenkwünsche, sagte er am Samstag in Gröden, er könne noch immer Skifahren, "ich kriege quasi alles umsonst, was ich will", sagte er. Am Samstag gab es den 35. Weltcupsieg als Zugabe.

© SZ vom 17.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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