4:1 gegen die Slowakei:Stolz und Leidenschaft

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Top-Reihe mit Top-Leistung: von links Marcel Noebels, der zweimalige Torschütze Tobias Rieder sowie Leo Pföderl, der schon nach 14 Sekunden zum 1:0 traf. (Foto: ActionPictures/Imago)

Zum ersten Mal seit 2015 gewinnt das DEB-Team den Deutschland Cup. In Krefeld präsentieren sich die Kandidaten für Olympia und WM im kommenden Jahr von ihrer besten Seite - Präsident Reindl kämpft um seine Reputation.

Von Ulrich Hartmann, Krefeld

Die stolze Hymne der Eiskönigin war den deutschen Eishockey-Männern nur recht und billig. "Let it go", schallte es durch die Arena. Der niedliche Disneyfilm mag ja vor allem den Vätern unter den deutschen Kufencracks bekannt sein, aber losgelassen, wie im Lied befohlen, und von Zweifeln befreit, hat letztlich die gesamte Mannschaft die internationale Konkurrenz düpiert. Erstmals seit 2015 und zum achten Mal haben die Gastgeber den Deutschland Cup gewonnen. Als Zeichen des Triumphs erhielten sie eine kapitale Glastrophäe, aus der Getränke nach jeglichem Gusto verkostet werden können.

Man hätte fast Angst bekommen können vor lauter deutscher Effektivität im zum Finale erwachsenen Abschlussspiel gegen die Slowakei. Nach 14 Sekunden schoss Leonhard Pföderl das 1:0, nach fünfeinhalb Minuten Tobias Rieder das 2:0. Im Laufe einer ansehnlichen Partie kamen Treffer durch Dominik Bittner (39.) und erneut Rieder (56.) zum umjubelten 4:1 (2:0, 1:1, 1:0)-Sieg hinzu.

Schon vor diesem Showdown hatte der Bundestrainer Toni Söderholm seine Spieler überschwänglich gelobt angesichts der Siege gegen Russland (4:3) am Donnerstag und gegen die Schweiz (3:0) am Samstag. Auch diese Nationen hatten zwar nicht ihre besten Kader an den Niederrhein geschickt, doch das deutsche Spiel erschien klug und leidenschaftlich.

Gegen die Russen drehten sie einen frühen 0:2-Rückstand in eine 4:2-Führung, die sie am Ende mit 4:3 kämpferisch ins Ziel brachten. Gegen die Schweiz verteidigten sie eine 1:0-Führung aus der 28. Minute (Rieder) so tapfer, bis die Schweizer ihren Goalie herausnahmen und das Tor freigaben für zwei weitere deutsche Treffer (59., Pföderl/60., Patrick Hager).

"Es ist beeindruckend, wie die Jungs füreinander kämpfen", lobte Söderholm. "Ich hoffe, dass das jeder Eishockeyfan in Deutschland sieht." Dies war ein kleiner Seitenhieb, denn die Kulisse in der Krefelder Arena war nicht gerade überwältigend dafür, dass die deutsche Mannschaft erstmals seit ihrem Halbfinaleinzug bei der WM im Frühjahr wieder vor deutschem Publikum spielte. 1560 Zuschauer sahen den Sieg gegen Russland, 2678 jenen gegen die Schweiz und am Sonntag waren es auch bloß 2309. Am Sonntag war die Stimmung dann aber durchaus angemessen. Mehr Treue indes beweisen die Spieler selbst. "Sie kommen sehr stolz zur Nationalmannschaft", beobachtet Söderholm gerührt.

Ausdrücklich gelobt hat der Finne im Laufe des Turniers die Leistung seiner Mannschaft in der defensiven Zone: "Sie haben geduldig verteidigt." Dies ist eine Stärke, die momentan aber nicht nur für die Nationalspieler gilt. Diese taktische Schlüsselqualifikation demonstriert derzeit auch der ins öffentliche Visier geratene Verbandspräsident Franz Reindl, der am Samstag in der ersten Drittelpause ein Interview im Sender Magentasport gab und sich dabei bitter über "Hass", "Denunziationen" und den Versuch seiner "Vernichtung" beklagte. Der 66-Jährige ziert sich mit der bereitwilligen Aufklärung seiner Doppelrolle als ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB) und zugleich bezahlter Geschäftsführer einer DEB-Tochtergesellschaft vor dem Hintergrund beidseitiger Geschäfte mit der Vermarktungsgesellschaft Infront.

Im Sommer stehen zwei zentrale Personalien zur Klärung an: Präsident und Bundestrainer

Auch im jüngsten Interview zeigte er sich in den Kernpunkten verschlossen und beantwortete den Wunsch mehrerer Landesverbände nach sofortiger Aufklärung mit den zynisch anmutenden Worten: "Um die Transparenz weiter aufrecht zu erhalten, haben wir eine unabhängige Kanzlei beauftragt, die Sache zu untersuchen." Nachdem er im September daran gescheitert war, Präsident des Weltverbandes zu werden, zieht Reindl nun in Erwägung, trotz seines eigentlich geplanten Rückzugs als DEB-Präsident im Sommer doch wieder zur Wahl anzutreten. "Die Schläge, die jetzt eintreffen, motivieren mich eher, weiterzumachen", verkündete er im Interview drohend seinen Kritikern.

Und so steht das deutsche Eishockey sowohl sportlich als auch sportpolitisch vor wegweisenden, spannenden Monaten. Die Nationalmannschaft spielt im Februar bei Olympia in Peking sowie im Mai bei der Weltmeisterschaft in Helsinki. Anschließend endet der Vertrag des Bundestrainers Söderholm. Im Sommer wird schließlich ein Präsident gewählt - entweder ein neuer oder der umstrittene Amtsinhaber. Zwei relevante Posten stehen also nahezu zeitgleich zur Disposition. Über den einen Amtsträger (Söderholm) sagte der andere (Reindl) am Samstag: "Toni Söderholm ist ein super Bundestrainer. Wir werden alles tun, um ihn zu halten, und ich glaube auch, dass er Lust hat weiterzumachen. Aber sollte seine Reise woanders hingehen, dann werden wir ihn nicht aufhalten."

Söderholm selbst hält sich bedeckt. Ende September hospitierte er beim NHL-Klub Florida Panthers. Er träumt von einem Engagement im gelobten Land des Eishockeys. Sein Praktikum in Sunrise nördlich von Miami deklarierte man im deutschen Verband allerdings als "Wissenstransfer". Der Finne sollte dort "möglichst viele Erkenntnisse für seine Arbeit beim DEB mitnehmen". Nun muss sich herausstellen, ob aus Söderholms US-Flirt mehr wird. Das deutsche Abschneiden bei Olympia könnte eine Antwort darauf geben.

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