3:1-Sieg gegen Mainz:Augsburg, wie es siegt und lacht

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„Ich hätte mir was am Rücken geholt“: Nicht nur Augsburgs Trainer Heiko Herrlich staunte über das akrobatisch hochwertige 1:0 von Ruben Vargas. (Foto: Christof Stache/AFP)

Der FCA klettert - und beschert Mainz einen Rekord-Fehlstart: Nach sechs Spielen sind die Rheinhessen weiter ohne Punkt.

Von Maik Rosner, Augsburg

Ruben Vargas blies die Backen auf und überlegte, wann ihm letztmals solch ein Tor gelungen war wie jenes, das er in den Augsburger Herbsttag gemalt hatte: "Ich glaube, das war noch in der Jugend", sagte Vargas, 22, später über seinen sehenswerten Fallrückzieher (40.), der den 3:1 (1:0)-Heimsieg des FC Augsburg gegen den FSV Mainz 05 eingeleitet hatte. Sein Trainer Heiko Herrlich, einst als Stürmer in Leverkusen, Mönchengladbach und Dortmund erfolgreich, musste dagegen nicht lange nachdenken: "Ich habe nie so ein Tor geschossen, weil ich mir wahrscheinlich irgendwas am Rücken geholt hätte", sagte er heiter - und empfahl die Akrobatik seines Flügelspielers für die "Verlosung für das Tor des Monats".

Insgesamt ist der FC Augsburg gerade sogar in der Verlosung für den imaginären Titel als "Mannschaft der Saison", jedenfalls bisher. Wie immer als Abstiegskandidat war der FCA in das zehnte Ligajahr gestartet - am Samstagabend grüßte er mit zehn Punkten aus sechs Spielen als erster Verfolger des Quartetts Bayern, Dortmund, Leipzig und Mönchengladbach, das in dieser Reihenfolge auch in der Vorsaison eingelaufen war. Augsburg dagegen hatte sich mal wieder zur Versetzung gemüht.

Ein Fallrückzieher von Vargas und ein Doppelpack von Hahn - für 05 ist es die sechste Schlappe

Dass sie sich beim kleinen FCA nun über den zweitbesten Saisonstart ihrer Bundesliga-Geschichte freuen können, lag vordergründig an Vargas' Kleinkunstwerk sowie an André Hahns zwei Toren in der Schlussphase (80./90.+1), was dem Stürmer zuletzt vor vier Jahren für Mönchengladbach gelungen war. Der eingewechselte Mainzer Karim Onisiwo hatte zwischendurch ausgeglichen (64.). "Da sind wir kurz ein bisschen geschwommen. Aber ich denke, dass wir mittlerweile genug Routine und Erfahrung im Team haben", begründete Hahn, warum sich der FCA rasch fing und das Spiel für sich entschied.

Es spricht in der Tat viel dafür, dass die Augsburger von ihrer neuen Statik durch die erfahrenen Verstärkungen Rafal Gikiewicz, 33, Daniel Caligiuri, 32, und Tobias Strobl, 30, ebenso profitieren wie von einem neuen Gemeinsinn. Mit dem Binnenklima erklärte jedenfalls Herrlich die erfolgreiche Zwischenbilanz. Jeder sei bereit, "füreinander zu arbeiten", sagte der Coach, "eine Mannschaft wie Augsburg muss auch über den Teamgedanken kommen". Bis jetzt gelingt das sehr gut, vor allem in Anbetracht der bisherigen Gegner, zu denen neben Union Berlin und Mainz die vier Schwer- und Halbschwergewichte Dortmund, Wolfsburg, Leipzig und Leverkusen zählten. Zusätzlich bestärkend wirkt, dass der auf Konter ausgelegte FCA gegen Mainz erstmals in der Favoritenrolle angetreten und dieser mit ungewohnt viel Ballbesitz gerecht geworden war. Und das, obwohl der hauptamtliche Mittelstürmer Florian Niederlechner wegen eines Bauchmuskelfaserrisses fehlte und bestenfalls nach der Länderspielpause Ende November wieder dabei sein wird.

Umso erfreulicher geriet Hahns Vertretungsdienst auf dem von ihm schon längere Zeit nicht mehr besetzten Terrain, auf dem er nun auch gegen Hertha BSC gefragt sein könnte. Hahn, in Augsburg meist auf dem rechten Flügel und keineswegs beständig im Einsatz, hatte sich erfolgreich an das Anforderungsprofil seiner früheren Teilzeitrolle erinnert. Sehr viel Laufarbeit brachte er ein, zudem jenen Instinkt, der offenbar nicht verschwunden ist. Viel, so sah das Hahn, habe er jedoch nicht für seine Tore tun müssen: Bei beiden, sagte er, "musste ich nur noch den Fuß hinhalten". Die jeweilige Vorarbeit, folgerte er, "ist natürlich eine top Mannschaftsleistung".

Von einer solchen waren die Mainzer weit entfernt, was ihnen den unschönen Rekord des schlechtesten Saisonstarts in der Bundesliga-Geschichte einbrachte. Wie die Fortuna aus Düsseldorf, die nach der Spielzeit 1991/92 als Tabellenletzter abstieg, stehen sie auch beim FSV nach sechs Niederlagen aus den ersten sechs Spielen ganz unten - auch deshalb, weil es um ihren Gemeinsinn nicht so gut bestellt zu sein scheint: "Wenn ein, zwei Spieler eine eigene Idee haben, wird's immer schwierig gegen eine Mannschaft, die so organisiert im Feld steht wie Augsburg", klagte Trainer Jan-Moritz Lichte. Es gehe vor dem Kellervergleich mit dem Vorletzten Schalke nun darum, "gemeinsam auf dem Platz eine Idee zu haben".

Beim FCA ist diese erkennbar, und wenn sie in Mainz nicht aufpassen, kommt ihnen bald auch ihr Karnevalsmotto abhanden. Derzeit singt und lacht bei den Mainzer jedenfalls niemand.

© SZ vom 02.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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