Deutscher Fußball Bund:Geheimnisvolle Dateien

Bisher ist die Affäre nur rudimentär aufgeklärt: In den Ermittlungen zur WM-Vergabe 2006 macht sich die Staatsanwaltschaft nun an verschlüsselte Dokumente. Bergen diese Dateien noch Geheimnisse des deutschen Fußballs?

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Der brisante Fund verbarg sich in einem Wust irrelevanter Daten. Ende Oktober 2015, nach ersten Enthüllungen über dubiose Zahlungen rund um die WM 2006, beauftragte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Kanzlei Freshfields mit einer Untersuchung. Deren Report wurde ein halbes Jahr später vorgestellt; es hieß darin, die externen Fahnder hätten 128 000 elektronische Mails und Dokumente durchgesehen und knapp 1700 als relevant eingestuft. Manche davon müssen die Ermittler besonders elektrisiert haben. Denn unter den Funden waren auch verschlüsselte Dateien.

Verschlüsselungen wecken generell Argwohn. Mindestens ein Word-Dokument soll aufgrund seines auf Turbulenzen hindeutenden Namens besonders auffällig gewesen sein. Schon lange ist die Frage: Bergen diese Dateien noch Geheimnisse des deutschen Fußballs, speziell zu der WM 2006? Womöglich liegt die Antwort darauf bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Sie hat inzwischen Zugriff auf verschlüsselte Dateien aus dem Kontext der WM-Affäre, das bestätigt sie nun der SZ.

Bei Publikation des Abschlussreports am 4. März legte Freshfields dar, verschiedene Dateien seien mit Passwörtern geschützt und die Entschlüsselung bis zur Fertigstellung des Berichts nicht möglich gewesen. In einer Fußnote verwies die Kanzlei etwa auf eine Datei namens "Komplex Jack Warner", die der frühere, ob seines Verhaltens in der Affäre entlassene stellvertretende DFB-Generalsekretär Stefan Hans Mitte November angefertigt habe. Aber das soll keineswegs die Datei mit dem auffälligsten Namen gewesen sein.

Offenkundig mühten sich Verband und Kanzlei zwar um technische Lösungen, aber nicht mit letzter Konsequenz. Maßgeblich war vielmehr, wie teuer und umfangreich der Versuch zur Datenöffnung werden könnte. Entsprechend äußerte sich DFB-Vizepräsident Rainer Koch bereits im April in einer nicht öffentlichen Sitzung im Sportausschuss des Bundestags. Er trug die von seinen Kollegen geteilten Bedenken vor, dass es kaum vertretbar sei, einen sechsstelligen Betrag fürs Öffnen verschlüsselter Dateien zu investieren, deren Informationsgehalt recht unklar sei.

Die Untersuchung von Freshfields kostete den Verband nach bisherigen Angaben 5,5 Millionen Euro. Möglicherweise sechsstellige Beträge, also vielleicht 200 000 Euro oder 300 000 Euro für das Öffnen solcher Dateien, das klingt nach viel Geld. Aber es ist die Frage, ob solche Kosten ein starkes Argument sind für einen Verband, der im Kontext der größten Affäre seiner Geschichte umfassende Transparenz und Aufklärung versprochen hat.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt teilt der SZ mit, sie habe verschlüsselte Dateien im Kontext der WM-Affäre "lesbar" gemacht. Die Behörde ermittelt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall, weil der Verwendungszweck für die Überweisung von 6,7 Millionen Euro des Organisationskomitees falsch angegeben war und diese als Betriebsausgabe geltend gemacht werden sollten. Nähere Informationen zu Inhalt oder Urhebern dieser Dateien wollte ein Behördensprecher mit Blick auf das laufende Verfahren nicht machen. Unklar bleibt also noch, ob nun alle verschlüsselten Dateien lesbar sind, auf die auch Freshfields damals gestoßen war.

Einige Informationen packte die Kanzlei Freshfields erst gar nicht in ihren Report hinein

In jedem Fall rückt nun erneut der Umstand in den Blickpunkt, dass die WM-Affäre bisher eher rudimentär aufgeklärt ist. Verband und Freshfields halten sich zu Gute, dass sie den Gang der 6,7 Millionen Euro konkret nachgezeichnet hätten. Demnach flossen diese 2002 vom ehemaligen Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus an den katarischen Skandalfunktionär Mohammed bin Hammam - und 2005 vom WM-OK über die Fifa zurück an Louis-Dreyfus. Die konkreten Nachweise über die Transaktionen hatten Verband und Kanzlei wenige Tage vor Publikation des Berichts am 4. März erreicht. Völlig ungewiss bleibt, was in Katar mit dem Geld geschah - und warum es dorthin wanderte.

Andere brisante Informationen wiederum packte die Kanzlei nicht in den Report. Dies gilt insbesondere für das Honorar von Franz Beckenbauer in Höhe von 5,5 Millionen Euro, das der damalige OK-Chef vom DFB im Zusammenhang mit einem Oddset-Werbevertrag erhielt. DFB und Freshfields geben an, dass dieses Honorar nichts mit den 6,7 Millionen Euro zu tun habe, über die der Spiegel vor Jahresfrist berichtet und so die WM-Affäre ausgelöst hatte. Das erstaunt, der Auftrag war gemäß Freshfields-Report viel weiter gefasst. Zu prüfen war neben dem Verbleib der 6,7 Millionen Euro auch, ob es "im Zusammenhang mit der WM 2006 Unregelmäßigkeiten gab".

Unregelmäßigkeiten im Kontext der Weltmeisterschaft 2006: Womöglich sind einige davon in den Dateien dokumentiert, die einstmals verschlüsselt waren.

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