Deutsche Fechter sauer trotz Medaille:"Wir fühlen uns immer noch betrogen"

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Freude mit Verspätung: Die deutschen Florettfechter holen Bronze, der Ärger über das verpasste Finale überwiegt jedoch. Im Halbfinale war das Team nach unverständlichen Entscheidungen des Referees gegen Japan ausgeschieden. Damit spielten bei beiden Medaillengewinnen der deutsche Fechter die Unparteiischen eine entscheidende Rolle.

Volker Kreisl, London

Irgendwann am Abend, sagt Peter Joppich, werde er sich noch freuen über diese Bronze-Medaille, denn es war ja eine Olympiamedaille. Bis sie ihren "Beigeschmack" verliere, würde es eben dauern. Das Bronzegefecht zuvor war so deutlich wie lange nicht mehr bei Olympia ausgegangen, 45:27 hatten die Deutschen gegen die USA gewonnen.

Doch die Stimmung war eher gefasst. "Wir fühlen uns immer noch betrogen", sagte Benjamin Kleibrink. Im Halbfinale waren sie gegen Japan ausgeschieden, nach drei unverständlichen Entscheidungen des Obmanns im Sudden Death.

Die Goldmedaille ging an das Team aus Italien, Silber an Japan, deren Fechter im Finale zwar 39:45 verloren, aber insgesamt eine starke Leistung gezeigt hatten. Sie hatten mittags den Weltranglisten-Zweiten China besiegt. Überhaupt war es ein typisch olympischer Fecht-Finaltag mit weiteren Reinfällen bei Favoriten. Frankreich schied im Achtelfinale gegen die USA aus, die Fecht-Nation ging diesmal bei Olympia leer aus. Italien tat sich lange schwer gegen Großbritannien.

Die außergewöhnlichste Szene des Tages spielte sich aber am Ende des Halbfinales ab, als Joppich gegen Yuki Ota im Sudden Death stand. Drei Treffer hatte er gesetzt, zwei Mal revidierte der Obmann eine Entscheidung pro Joppich, einmal wegen einer ungültigen Attacke, einmal wegen eines unscheinbaren Kopfnickens, das die eigene Trefferfläche verringert habe.

Beim dritten Mal leuchteten beide Lampen auf. Die Frage, wer zuerst attackiert hatte, war nicht leicht zu beantworten, nach minutenlanger Beratung gab der Obmann Ota den Treffer. "Wir haben mit Fechtern gesprochen und mit ehemaligen Obleuten", sagte Joppich, "niemand hat das verstanden." Die Szene war nach der Zeitrückstellung vor Britta Heidemanns Halbfinaleinzug eine weitere Regelauslegung mit gröberer Auswirkung.

Insgesamt hatte sich das Team von Florett-Bundestrainer Uli Schreck an diesem Tag aber ordentlich präsentiert, was zunächst nicht zu vermuten war. Denn begonnen hatte es den Tag gegen Russland zunächst allzu verhalten. Nach sieben von neun Teilgefechten lag es mit elf Punkten in Rückstand, und es schien, als würden die Florettfechter genauso früh in die Platzierungsrunde abbiegen, wie am Freitag die Säbelmänner und am Samstag die Degenfrauen des deutschen Verbandes. Kleibrink und Joppich sind indes als Angriffsfechter bekannt, zuweilen als späte Angriffsfechter. Sie verhinderten eine Niederlage im letzten Moment, eine ähnliche Aufholjagd gab es auch gegen Japan, ehe sie dann ins Stocken geriet.

Erst das Bronzegefecht gegen die USA entwickelte sich sofort komfortabel, die Deutschen hielten die Amerikaner bald mit zwölf bis 15 Punkten auf Distanz. Schreck hätte dabei auch einen nervenschonenden Abend verbracht, hätte sich Sebastian Bachmann nicht kurz vor Ende noch gröber verletzt. Im Ausweichen knickte er ein, stürzte und rollte sich entlang der Planchen-Kante ab. Er erlitt eine Knieverletzung, das Gefecht war für ihn beendet.

Zum Einsatz kam Ersatzmann André Wessels, der die wohl ökonomischste Medaillenausbeute dieser Spiele erzielte. Wessels musste nur den einen letzten, noch offenen Treffer des Bachmann-Gefechts setzen, nicht mal nach einer Minute saß er wieder auf der Bank. Es war nur der letzte Teil eines Teilgefechts, eine ganze Bronzemedaille hat er trotzdem bekommen.

© SZ vom 06.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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