2. Bundesliga:Sie macht, was sie will

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Es ist angerichtet: Den Aufstiegskandidaten der zweiten Bundesliga droht wieder ein dramatisches Finale.

Christof Kneer

Christian Weber kann gut rennen und gut kämpfen, und im Zweifel bekommt er auch eine anständige Flanke hin. Besonders begabt ist er aber in der Disziplin Grätschen. Seine Grätsche ist in 141 Spielen erprobt, sie kommt präzise und zuverlässig. Christian Weber ist, wie man so sagt, eine feste Größe bei der SpVgg Greuther Fürth, und in der Liga, in der er spielt, ist das eine ganze Menge.

Auch Fürth hofft noch auf den Aufstieg in die 1. Bundesliga (Foto: Foto: AP)

Christian Weber, 22, ist so etwas wie der klassische Zweitligaspieler. Er kann so gut kicken, dass es für den Profifußball gereicht hat, aber um noch weiter oben zu landen, fehlt seinem Spiel die künstlerische Ader. Wenn es eine Zweitliga-Nationalmannschaft gäbe, würde Weber bestimmt die rechte Abwehrseite bewachen, und bei einer Zweitliga-WM würde er keine schlechte Figur machen.

Es gibt schlimmere Perspektiven als diese, jetzt aber hat Christian Weber ein Problem. Er muss in dieser Woche eine Entscheidung treffen, die unentscheidbar ist. Er muss entscheiden, ob er das Angebot des künftigen Zweitligisten Duisburg annimmt oder ob er beim aktuellen Zweitligisten Fürth bleibt, wobei niemand wissen kann, ob Fürth nicht vielleicht ein künftiger Erstligist ist.

Gefürchtete Liga

Sie macht es einem wirklich nicht leicht, die zweite Liga. Diese Liga ist unehrlich und link, wie Christian Wörns wahrscheinlich sagen würde, sie hat schon eine Menge Webers auf dem Gewissen. Es gehört fast schon zur Folkore, dass die Liga am Ende der Saison einige Profis in den Wahnsinn treibt. Die Webers der Vorsaison hießen Pavel Dršek oder Torben Hoffmann.

Der Weber der Vor-Vor-Saison hieß Michael Thurk, sie alle haben sich von dieser Liga überlisten lassen. Dršek verließ Duisburg und ging nach Bochum, worauf Duisburg aufstieg und Bochum ab. Hoffmann verließ Frankfurt und ging zum TSV 1860, worauf Frankfurt aufstieg und der TSV 1860 nicht. Und ein Jahr zuvor hat der arme Thurk am letzten Zweitliga-Spieltag sogar zwei Tore zum Mainzer Aufstieg beigetragen, womit er Cottbus den Aufstieg vermasselte. Und dann ist er wie verabredet nach Cottbus gewechselt.

An den Einzelschicksalen lässt sich am besten erklären, warum diese Liga so gefürchtet ist. Die zweite Liga macht, was sie will, und wer jetzt den vorletzten Spieltag verfolgt hat, der ahnt, dass die Liga schon wieder an ein paar Grausamkeiten arbeitet. Es ist wieder angerichtet: Nach der 0:2-Niederlage der drittplatzierten Cottbuser in Offenbach und den Siegen der Verfolger Fürth, Karlsruhe und Freiburg bewirbt sich ein Quartett um den dritten Aufstiegsplatz, und man kann sich schon mal auf die üblichen Zweitligafinalgesichter gefasst machen.

Man wird am Sonntag wieder Männer sehen, die gleichzeitig ins Radio und in ihr Handy horchen, und drei Viertel der Männer werden am Ende heulen - so wie vor drei Jahren der Trainer Klopp, dessen Mainzer nach 90 Minuten aufgestiegen waren, bevor in Frankfurt der Spieler Schur das 6:3 gegen Reutlingen köpfte. Ein Tor fehlte Mainz am Ende. Im Jahr davor hatte ein Punkt gefehlt. Ein paar Jahre davor war es ein Sieg.

"Liga ist ausgeglichen"

"Es ist sicher kein Zufall, dass die Liga am Ende oft solche Kapriolen schlägt", sagt Trainer Benno Möhlmann, dessen Fürther auch noch aufsteigen können. "Die Liga ist so ausgeglichen, dass es automatisch eng wird. In dieser Liga gibt es kaum diese überragenden Individualisten, die ein Spiel allein entscheiden. Alles funktioniert über die Mannschaftsleistung, und da sind die Unterschiede nicht so groß." Verschärfend kommt hinzu, dass auch der dritte Platz zum Aufstieg berechtigt. "Selbst wenn es mal dominante Teams gibt, dann marschieren die eben auf den ersten beiden Plätzen davon", sagt Möhlmann.

Der dritte Platz ist dagegen so etwas wie der erste Mittelfeldplatz, und das Mittelfeld reicht in dieser Liga gerne mal bis in die Abstiegsregionen. "Nehmen Sie das Beispiel Offenbach", sagt Möhlmann, "die spielen aktuell sicher so gut wie wir oder die anderen Aufstiegskandidaten, sie haben nur vorher so viele Punkte verschenkt." Offenbach ist übrigens Zwölfter.

Wahrscheinlich ist es so, dass die zweite Liga sich schon diebisch auf Sonntag freut. Wenn nicht alles täuscht, hat sie es diesmal mit eher labilen Teams zu tun, die sie besonders gut quälen kann. "Bis auf Freiburg sind das ja Mannschaften, die sich vor der Saison selbst nicht da oben erwartet hätten", sagt Möhlmann, dessen Fürther ähnlich wie Cottbus eine geruhsame Übergangssaison im Sinn hatten. Nun, da das Traumziel auf einmal unverschämt nahe gerückt ist, "fangen natürlich die Köpfe an zu arbeiten", sagt Möhlmann: "Die Psyche spielt jetzt eine noch größere Rolle als ohnehin schon."

Für seine Fürther ist das womöglich keine gute Nachricht, sie gelten als eine Art zweites Mainz. In den letzten fünf Jahren sind sie viermal Fünfter geworden, aber diesmal soll alles anders sein. "Damals wurde immer ein Vorsprung verspielt, jetzt kommen wir von hinten", sagt Möhlmann. Vielleicht sollte sich Christian Weber das mit Duisburg doch noch einmal überlegen.

© SZ vom 9.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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