1860 München:Weit weg

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Trainer Vitor Pereira lässt die Tabelle nach dem 0:1 in Hannover an sich abprallen. Seinen Spielern, die erneut eine gute Leistung zeigten, fällt das schwerer.

Von Thomas Hahn

Das Gesicht des 1860-Trainers Vitor Pereira wirkt jetzt wie ein aufgeschlagenes Buch mit leeren Seiten. Da steht nichts drin. Nichts, was einen Aufschluss geben könnte über seine Gefühle nach der nächsten Niederlage seiner Mannschaft. 0:1 bei Hannover 96. Der Druck, gewinnen zu müssen, steigt. Aber Pereiras Miene ist unbewegt nach dem Spiel. "Ein Fehler hat das Spiel entschieden", sagt er, "das ist natürlich schade, aber das ist Fußball." Kein Frust, keine Traurigkeit, keine Angst vor Abstiegsgespenstern oder sonstigen Geistern, die um den kleinen 1860-Kosmos schwirren. Pereira sagt: "Das war vielleicht das beste Spiel, das wir gemacht haben, seitdem ich hier bin." Aber auch von Zufriedenheit steht nichts drin im Gesicht des 1860-Trainers Vitor Pereira.

Pereiras portugiesische Gelassenheit wirkt manchmal ein bisschen weit weg vom Geschehen. Besonders beruhigend für die Löwen-Fans ist das schließlich nicht gewesen, dass ihr Team den Tabellendritten Hannover 96 am Samstag gut im Griff hatte, und trotzdem keinen einzigen Punkt aus Niedersachsen entführte. Aber Nervosität schießt ja auch keine Tore, im Gegenteil. Pereiras professionelle Ruhe könnte ein wichtiger Faktor sein in den letzten zehn Spielen der Saison. Sein Selbstbewusstsein ist fest wie ein Fels. Ein Tabellen-Zwischenstand ficht ihn nicht an. Solange auf dem Platz das meiste stimmt, vertraut er darauf, dass die Erfolge kommen.

Enttäuschung in Gelb: Die Winterzugänge Christian Gytkjaer (links) und Abdoulaye Ba nach dem unglücklichen 0:1 in Hannover. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Die umgebauten Löwen funktionieren durchaus, das hat der Aufstiegsfavorit Hannover 96 erleben müssen am Samstag. Das 0:1 spiegelte die Kräfteverhältnisse auf dem Platz überhaupt nicht wider, es zeigte eher die neu eingekaufte Löwen-Kraft. Die Münchner stark zu reden, war für die Gastgeber auch eine Methode, um von eigenen Schwächen abzulenken. Aber 96-Trainer Daniel Stendel meinte es ernst, als er auf den neuen Pereira sowie die Winterzugänge der Löwen verwies und sagte: "1860 muss man erst mal schlagen." Und Horst Heldt, einst selbst Spieler bei 1860, sah bei seinem früheren Klub Stärken, die er Pereiras offensiver 3-4-3-Formation gar nicht zugetraut hätte: "So diszipliniert habe ich sie nicht erwartet."

Einen Schönheitspreis hätten sich die Löwen mindestens verdient gehabt. Maximilian Wittek klang richtig empört, als er die Null-Punkte-Bilanz bedachte: "Ich glaube, wir waren die bessere Mannschaft." Er verstand die Niederlage nicht richtig. "Vielleicht liegt ein Fluch auf den gelben Trikots." Wittek glaubte aber selbst nicht dran, dass das Ergebnis im angestammten Löwen-Blau besser ausgefallen wäre. "Vielleicht ist es mangelnde Konzentration." Mit dem Gedanken kam der Flügelspieler dem Problem schon näher.

Flüchtigkeitsfehler sind schwer abzustellen, sie gehören zur Natur des Spiels. Vor allem wer es besonders gut machen will, ist anfällig dafür, und wenn sie passieren, passieren sie immer ohne Absicht. Insofern brachte es nicht viel, den Stürmern Stefan Aigner und Amilton lange Vorhaltungen zu machen, weil sie bei ihren Alleingängen am 96-Schlussmann Philipp Tschauner gescheitert waren. Und auch sämtliche Leichtsinnsfehler vor dem Gegentor durch Martin Harnik aufzuzählen, machte den Misserfolg nicht rückgängig. Das Unglück vor dem 0:1 hatte schon im Angriff begonnen, als Lumor eine flache Hereingabe auf den frei stehenden Ivica Olic nicht genau genug platzierte. Die Folge: Ein Gegenangriff, "ein Gewurschtel" (Wittek), ein holpriges Dribbling von Hannovers Sarenren Bazee. Plötzlich stand Harnik frei. Und der ist selten unkonzentriert.

Maximilian Wittek wollte die Niederlage auch nicht zu tragisch nehmen. Vielleicht wäre er sogar gerne so gelassen geblieben wie sein Trainer Pereira. Das Gefühl, eine starke Leistung geboten zu haben, kann einen auch wachsen lassen. Aber Wittek ist erst 21 und ein wacher Geist. Er hatte nicht vergessen, dass das die dritte Niederlage in Serie war. Er wusste, dass die Mannschaft in Hannover eine große Chance verpasst hatte. "Wenn du auswärts nie was mitnimmst, kannst du dich auch nicht immer auf deine vermeintliche Heimstärke verlassen", sagte er. Die jungen Spieler können die Härten des Abstiegskampfes nicht so leicht an sich abprallen lassen wie der weitgereiste Profi-Trainer Pereira.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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