1860 München:Hilfe vom Erzfeind

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Ausgerechnet die "Roten" helfen den "Blauen". Die Fans von 1860 sind schockiert, dass 1860 München von den Bayern unterstützt wird. Aber es geht wohl nicht anders.

Klaus Ott

Uli Hoeneß muss wieder einmal einen in Not geratenen Verein vor der Pleite bewahren, aber dieses Mal wird der Manager des FC Bayern München nicht von allen für seine Hilfe gefeiert, anders als vor einigen Jahren beim FC St. Pauli. Damals reisten die Bayern zu einem Benefizspiel gegen den Klub von der Reeperbahn nach Hamburg. Hoeneß bekam ein Trikot mit der Aufschrift "Retter" geschenkt und musste im Stadion am Millerntor sogar eine Ehrenrunde absolvieren, unter dem Jubel der Fans.

Bei seinem neuesten Katastropheneinsatz läuft der Bayern-Manager, hingegen Gefahr, gescholten und geschimpft zu werden. Es gilt, ausgerechnet dem Lokalrivalen TSV 1860 die Insolvenz zu ersparen. Für viele Fans des alten und voraussichtlich auch neuen deutschen Meisters ist das, wie Hoeneß in diesen Tagen zu hören bekommt, der "Erzfeind". Und ausgerechnet für den wollen und müssen die Roten, die Bayern, mehr als zehn Millionen Euro aufbringen. Sonst bliebe den Blauen, den Sechzigern, nur noch der Gang zum Münchner Amtsgericht, wo sie sich schon am kommenden Dienstag für zahlungsunfähig erklären müssten.

Dem Ruin des Zweitligisten würde voraussichtlich der Zwangsabstieg in die Regionalliga oder gar in die Bayernliga folgen, und dort könnte der TSV nicht mehr viel Geld für die gemeinsam mit dem FC Bayern betriebene Allianz Arena einspielen. Also springt der große Nachbar lieber ein, statt die Sechziger untergehen zu lassen und sich somit selbst zu schaden. Aber längst nicht alle Anhänger verstehen das; erst recht nicht bei den Blauen, die sich nie vorstellen konnten und mochten, eines Tages auf die örtliche Konkurrenz angewiesen zu sein. Die Rettungstat gerät zur Gradwanderung zwischen Emotion und Geschäft.

Der mit Managern wie Martin Winterkorn vom Autokonzern Audi und Herbert Hainer vom Sportgiganten Adidas hochkarätig besetzte Aufsichtsrat des FC Bayern genehmigte die Eckpunkte für die dringend notwendige Hilfsaktion. Nun müssen Hoeneß und sein Vorstandskollege Karl Hopfner, der sich um die Finanzen des Großklubs kümmert, mit den Sechzigern rasch die noch offenen Details klären, damit der komplizierte Handel bis Ende der Woche abgeschlossen werden kann.

Mehr Zeit haben die Blauen und die Roten nicht mehr. Die Kernpunkte sind bekannt: 1860 erhält nach und nach und je nach Bedarf zwischen zehn und zwölf Millionen Euro; als Sicherheit dienen die 50 Prozent, die den Blauen am gemeinsamen Stadion gehören. Der TSV hat die Chance, das Geld zurückzuzahlen und sich so die Arena-Anteile zurückzuholen. Wie das im einzelnen vertraglich geregelt wird, ist noch nicht bekannt.

1860 darf nicht absteigen

Der geplanten Lösung hat prinzipiell auch der Aufsichtsrat der Sechziger zugestimmt. Notgedrungen, denn sonst ließe sich das unter der bisherigen Vereinsführung und vom vorherigen Management angerichtete Desaster nicht beenden. Alle anderen Versuche, einen Millionenbetrag aufzutreiben, sind gescheitert. Nur mit Hilfe der Bayern kann 1860 die Insolvenz vermeiden und anschließend versuchen, die Bedingungen der Deutschen Fußball Liga (DFL) für eine neue Lizenz zu erfüllen. Die Blauen müssen erst sportlich und dann auch finanziell den Klassenerhalt sichern. Der Abstieg in die Regionalliga käme beide Klubs teuer.

Der TSV verlöre mehrere Millionen Euro TV-Honorar und vermutlich auch Werbeaufträge. Und die Stadiongesellschaft erhielte mit einem Regionalligisten 1860 von ihrem Namenssponsor Allianz 750 000 Euro weniger pro Saison. So steht es im Vertrag.

Solange die Sechziger weiter in der zweiten Liga spielen, beträgt der Abschlag 375 000 Euro. Sollten die Blauen gar pleite gehen und ihr Insolvenzverwalter aus dem Stadion ausziehen, dann könnte die Allianz das Sponsoring kündigen. Die Bayern müssten die Arena, auf der mehr als 300 Millionen Euro Kredit lasten, alleine finanzieren. Da ist es besser, die Roten retten die Blauen, auch wenn das viele Fans nicht auf Anhieb verstehen.

© SZ vom 26.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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