1:1 beim Jonker-Debüt:Klatschen im Anzug

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Wolfsburgs neuer Trainer Andries Jonker. (Foto: Jan Huebner/imago)

In seinem ersten Spiel verändert der neue Wolfsburger Trainer Andries Jonker das Spielsystem. Am meisten profitiert davon der Stürmer Mario Gomez.

Von Johannes Aumüller, Mainz

Irgendwann an diesem Nachmittag konnten sich wirklich begründete Zweifel am Nachrichtenprogramm der vergangenen Tage einstellen. Denn einerseits war es natürlich eine schwer zu leugnende Tatsache, dass beim VfL Wolfsburg seit Beginn der Woche ein Herr namens Andries Jonker als Cheftrainer firmierte. Aber andererseits war dieser Herr am Samstag in Mainz zunächst nicht zu sehen.

Der Platz auf dem Spielfeld, den ein jeder Trainer als sein Hoheits- und Befehlsgebiet begreifen darf, also jene paar Quadratmeter zwischen Auswechselbank, Seitenlinie und den weißen Markierungsstrichen der Coachingzone, blieb fast die gesamte Partie über leer. Ein-, zweimal tauchte dort ein schick gekleideter Mann im Anzug und mit Weste auf, aber der war jeweils nach wenigen Sekunden verschwunden. Und erst kurz vor Schluss baute sich jemand so lange und so intensiv in die Hände klatschend am Seitenrand auf, dass die Zweifel verschwanden und klar war: Ja, Andries Jonker ist tatsächlich der Trainer dieser Wolfsburger Mannschaft.

"Ich bin nicht so ein Trainer, der immer wieder an der Seitenlinie steht", sagte der Niederländer nach dem 1:1 seiner Mannschaft. Aber wenn er dann komme, dann habe er auch wirklich wichtiges zu sagen. Jonker ist ja kein Neuer im Bundesliga-Betrieb: Fast zwei Jahre lang wirkte er von 2009 bis 2011 beim FC Bayern als Assistent von Louis van Gaal. Nach dessen Entlassung führte er die Münchner Spielzeit als Interimscoach zu Ende. Und auch beim VfL Wolfsburg war er über mehrere Jahre und unter verschiedenen leitenden Angestellten als Co-Trainer tätig - bis er zu Wochenbeginn erstmals einen Chefposten in der Bundesliga übernahm. Als bereits dritter Wolfsburger Trainer in dieser Saison nach Dieter Hecking und Valérien Ismaël.

Unter Jonker läuft einiges anders als bei seinen Vorgängern

In dieser Funktion hat er nun eine klare Aufgabe, und die lautet: Klassenverbleib. Trotz des auf dem Papier gut besetzten Kaders sind die Wolfsburger in großen Nöten, und das Unentschieden in Mainz hat die Lage nicht wirklich verbessert. Der VfL ist jetzt nur noch Fünfzehnter und nur drei Punkte trennen ihn vom Hamburger SV, der aktuell den Relegationsrang einnimmt und am Sonntag gegen die Hertha noch punkten kann. Aber dennoch wollten die Verantwortlichen das Spiel und das Ergebnis in Mainz als Aufwärtstrend verstanden wissen. Letzte Woche haben wir zu Hause gegen den direkten Konkurrenten Bremen 1:2 verloren, jetzt haben wir beim direkten Konkurrenten Mainz einen Punkt geholt, das seien die Fakten, befand Sportchef Olaf Rebbe.

Es war schon deutlich zu sehen, dass unter Jonker auf dem Platz einiges anders laufen soll als unter dessen Vorgänger Ismaël. Zwar waren "von der Natur viele Entscheidungen für mich getroffen" worden, wie Jonker ob der diversen Verletzungen anmerkte. Aber zumindest zwei wichtige Entscheidungen traf er unabhängig aller Launen der Natur. Nummer eins: Er stellte von der zuletzt praktizierten Dreier- auf die Viererkette um, wie es ein überzeugter Niederländer nun mal macht und wie es auch besser zum verfügbaren Personal zu passen scheint. Nummer zwei: Er beorderte Mario Gomez, der zuletzt nur auf der Bank gesessen hatte, wieder in die Startformation und ins Sturmzentrum. Und der Nationalspieler dankte es ihm gleich mit einem Treffer, seinem ersten nach mehr als 450 Minuten.

Richtig zufrieden konnten Jonker und die Wolfsburger mit der Partie allerdings nicht sein. Der Punktgewinn war zwar nicht unverdient, aber aufgrund des Spielverlaufs gegen Ende der Partie doch ein Stück glücklich. Nach recht aggressivem Beginn der Gastgeber gingen die Wolfsburger plötzlich in Führung. Ricardo Rodriguez schlug eine Ecke an den zweiten Pfosten, dort stand Gomez unbewacht - und per Kopf nickte er zum 1:0 ein (20.). Doch nur wenige später Minuten fiel der Ausgleich: Erst vertändelte Linksverteidiger Rodriguez in der Vorwärtsbewegung den Ball, dann rutschte Innenverteidiger Jeffrey Bruma weg - und so war es dem Mainzer Levan Öztunali ein Leichtes, seinem Kollegen Jhon Cordoba das 1:1 vorzulegen. "Das war ein typisches Mainz-Tor", lobte Trainer Martin Schmidt.

Was dagegen unter dem neuen Trainer Jonker typisch für Wolfsburg sein soll, ließ sich an diesem Nachmittag noch nicht hinreichend beantworten.

© SZ vom 05.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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