SZ für Kinder:Aktion Delfin

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Politik ist langweilig, findet eine sechste Klasse. Bis sie selbst welche macht. Sie kämpft dafür, dass Delfine in Gefangenschaft mehr Platz bekommen.

Im Meer fühlen sich Delfine wohl. Dort können sie unendlich weit schwimmen. In Zoobecken können sie das nicht. 16 der Meeressäuger leben zurzeit in Deutschland in solchen Delfinarien - die sechste Klasse aus Ottobrunn will ihnen helfen. Die Schüler fordern eine neue Vorschrift: Künftig sollen Delfinbecken mindestens 1000 Meter lang sein. Biologen haben nämlich herausgefunden, dass Delfine mehr als 850 Meter benötigen, um wenigstens eine Minute geradeaus schwimmen zu können. Noch sind die Delfinarien kürzer. Nicht nur die meisten Schüler der 6d glauben, dass das Tierquälerei ist. Auch viele Forscher und Tierschützer. Aber können Kinder Regeln ändern? Werden die Politiker in Berlin auf Schüler aus einem kleinen Ort bei München hören? Das will die Klasse gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung für Kinder testen. Das Thema "Delfine" haben die Schüler ausgewählt.

Bundestagsabgeordnete fragen

Die Kinder wollen es zuerst direkt bei den Bundestagsabgeordneten versuchen. Die haben nicht nur Büros in Berlin, sondern auch in den verschiedenen Wahlkreisen. In 299 dieserWahlkreise wurde die Bundesrepublik aufgeteilt, um die Wahlen übersichtlicher, aber auch gerechter zu machen: Aus jedem Wahlkreis sitzen Politiker im Parlament, so ist jede Region Deutschlands dort vertreten. Ottobrunn gehört zumWahlkreis Nummer 222, die Schüler rufen im Wahlkreisbüro von Jimmy Schulz an. Er ist als Kind auf ihre Schule gegangen, und einige der Schüler kennen ihn bereits, denn er wohnt in der Nähe. Und er gehört als FDP-Mitglied zur derzeitigen CDU/CSU-FDPRegierungskoalition. Vielleicht kann er ihnen helfen? Sie laden ihn in ihre Klasse ein. Dort verspricht er, sich bei den anderen Bundestagsabgeordneten für ihr Thema einzusetzen. "Selbst falls ich nicht wieder gewählt werde", sagt er, obwohl die FDP den Delfinschutz bisher nicht sonderlich unterstützt. Sicherheitshalber nehmen die Kinder sein Versprechen mit einem Diktiergerät auf.

Petition starten

Eine Woche später sitzen Hannah und Lea im Computerraum der Schule vor einem Rechner. Auf dem Bildschirm erscheint die Internetseite des Bundestages. Die 6d plant eine Online- Petition. Hannah muss ihre Kontaktdaten, wie den Namen und die E-Mail-Adresse, eingeben. Nach wenigen Klicks öffnet sich ein Feld:"DerBundestagmögebeschließen",steht darin. Hannah muss den Satz nur noch beenden - "dass die Einfuhr von Delfinen verboten wird und dass die Wasserbecken, in denen die Tiere gehalten werden, eine Mindestlänge von 1000 Metern haben müssen", tippt sie. Noch ein paar Klicks und sie ist fertig. "Ganz leicht", sagt Hannah.

Post vom Bundestag

Es vergehen keine drei Minuten, da landet eine E-Mail in Hannahs Postfach - ein Brief vom Bundestag: "Sie haben soeben eine Petition an den Deutschen Bundestag online eingereicht. Ihre Daten wurden gespeichert und an den Petitionsausschuss weitergeleitet!" Der Petitionsausschuss ist eine Art Arbeitsgruppe, die sich um die Petitionen kümmert. Auch Jimmy Schulz arbeitet dort manchmal mit. Für Hannah und die anderen heißt es nun warten. In einigen Wochen wird der Bundestag die Petition auf seiner Homepage veröffentlichen, sodass jeder sich dort eintragen kann. Online kann man natürlich nicht unterschreiben. Stattdessen gibt man seine E-Mail- Adresse an.

Verbündete suchen

Jimmy Schulz hatte ihnen einen weiteren Rat gegeben: "Sucht euch Verbündete, zum Beispiel Tierschutzvereine." Denn je mehr Unterstützer, desto besser. Je mehr Menschen ein neues Gesetz oder eine Vorschrift wollen, desto eher sind Politiker bereit, sich dafür einzusetzen. Verbündete sind schnell gefunden: die WDC-Organisation. Die Buchstaben stehen für "Whale and Dolphin Conservation" - die englische Bezeichnung für Wal- und Delfinschutz. Die Tierschützer der WDC wollen, dass Delfinarien geschlossen werden und alle Meeressäuger in Freiheit leben. Sobald die Petition der 6d online steht, werden sie auf ihrer Homepagewww. wale.org/kidsdaraufhinweisen.So wollen sie die Schüler unterstützen.

Unterschriften sammeln

So lange warten wollen die Sechstklässler aber nicht. Sie sammeln darum einfach schon mal richtige Unterschriften. Bereits auf dem Schulfest wenige Tage später haben sie aus Tischen einen Informationsstand gebaut. Schüler und Lehrer, aber auch Eltern tragen ihre Namen und Adressen in die ausgelegten Listen ein. Später will die 6d diese per Post an den Bundestag senden.

Demo organisieren

"Delfine brauchen Platz" malt Bene auf einen gelben Regenponcho. "Für die Demo", erklärt er. Die Schüler planen eine Demonstration. In dem Wort steckt das lateinische "demonstrare" - das heißt so viel wie "zeigen" oder "hinweisen". Genau das will die 6d: auf das Leid der Delfine hinweisen, um weitere Mitstreiter zu finden. Darum knien sie jetzt am Boden des Pausenhofs, bemalen Pappen und basteln Transparente. Eine Demo muss gut vorbereitet sein. Zuerst musste die Klasse einen Termin finden, an dem möglichst viele Zeit haben. Sie haben sich für einen Donnerstag um 14 Uhr entschieden. Stattfinden soll die Demonstration auf dem Rathausplatz, weil dort viele Menschen vorbeikommen. Wer eine Demo plant, macht vorher am besten eine Liste. Wer bringt was für die Transparente mit, wer hat ein Megafon, wer kümmert sich um die Musik?

Öffentlichkeit erreichen

Wichtig ist, dass viele Menschen von der Demonstration erfahren, damit sie auch daran teilnehmen. Katrina und Laura gestalten darum Plakate, drucken sie aus und hängen sie im Ort auf. Luisa und Gabi gestalten Flyer, die sie an die Mitschüler verteilen. Emre postet den Termin auf Facebook, Stephan auf der Schulhomepage. Lea und Filipa rufen über den Lautsprecher der Schule dazu auf. Und Katrina hat Zeitungen und Radiosender über die Demonstration und die Petition informiert. In der Lokalausgabe der SZ erscheint ein Interview mit ihr über die Delfinschutz-Aktion. Die Schüler versuchen, ihr Anliegen überall bekannt zu machen. Öffentlichkeitsarbeit nennt man das. Geduld haben Drei Wochen Arbeit hat die 6d in die Aktion gesteckt. Und gibt es jetzt eine neue Delfinschutz- Verordnung? Nein. Wozu dann alles? "Weil man tatsächlich Dinge ändern kann", das hat Jimmy Schulz den Kindern gesagt. Er hat es selbst oft genug erlebt. Aber bis sich etwas ändert, vergeht meist viel Zeit. Oft mehrere Jahre. Da heißt es: Geduld haben und weiterkämpfen.

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