Sprachlabor (171):Augenschmerzen

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger wendet sich an den Weltsicherheitsrat.

Die Sonderbriefmarke "Helmut Kohl" im Wert von 55 Cent mit einem Porträt des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU)  ist seit 11. Oktober 2012 im Handel erhältlich. (Foto: dapd)

FÜNF MILLIONEN Briefmarken mit Helmut Kohls Bild sollen gedruckt werden, ein Ereignis, das bei uns mit der Schlagzeile "Fünf Millionen Mal Helmut Kohl" gefeiert wurde. Leser M. bekam davon erhebliche Augenschmerzen, und auf die Gefahr hin, mit der neuen Rechtschreibung in Konflikt zu geraten, möchte sich diese Kolumne mit ihm solidarisieren. Man könnte ja nach einem einfachen Gesetz leben: Was Zahladverbien wie einmal, siebenmal, vierundachtzigmal und dreihundertvierzehnmal recht ist, nämlich die innige Verbindung von Zahlwort und -mal , sollte Zahladverbien wie fünfmillionenmal oder viermilliardenachthunderteinundzwanzigmillionenmal billig sein. Das geht aber nicht, weil die Million als Substantiv gehandelt wird. Unsere Schlagzeile war also richtig, auch das großgeschriebene Mal . Bei "Fünf Millionen mal Helmut Kohl" hätte man die fünf Millionen ja womöglich mit Helmut Kohl malgenommen und damit jedenfalls mathematisches Neuland betreten.

WÄREN MAHNEN UND WARNEN Krankheiten, würde man sie dem "Adhortativen Formenkreis" zuordnen, und weil sie so nah verwandt sind, kommt es immer wieder zu Sätzen wie dem hier verkürzt wiedergegebenen: "Ralf Stegner warnte, in einer wichtigen Gerechtigkeitsfrage Fehler der Vergangenheit zu vermeiden." Unser Leser B. erinnert daran, dass mahnen und warnen bei aller Verwandtschaft keine Synonyme sind, und wir ergänzen das um die Beobachtung, dass an bäuerlichen Hoftoren mit gutem Grund nicht "Mahnung", sondern "Warnung vor dem Hunde" steht.

ZU MEHR DENKEN beim Schreiben rät uns Leser A., und der Satz, aus dem er dies ableitet, lautet so: "Seit 2002 kürt die Vollkornbäckerei jährlich eine Frau zur ,Managerin des Jahres'." Herr A. ist der Meinung, dass sich darin unser "gestörtes Verhältnis zum weiblichen Geschlecht (natürlich nur grammatisch)" manifestiere, und er fragt mit deutlichem Hohn, ob die Bäckerei wohl ein Kind oder einen Mann zur Managerin des Jahres küren solle. Um es mit der Firma Opel zu sagen: Wir haben verstanden.

UND HIER GLEICH noch so eine Männer-Frauen-Sache. In einer unserer Beilagen wurde kürzlich berichtet, dass sich "Investoren aus aller Herrenländer" hier mit Wohnungen eindeckten. Üblicherweise geht es bei der Wendung aus aller Herren Länder darum, ob man ohne Not auf den eigentlich erforderlichen und auch vom Duden leider nur noch halbherzig geführten Dativ Ländern verzichten soll. Im vorliegenden Fall sieht sich unser Leser B. vor die Frage gestellt, ob es erstens nicht "aus allen Herrenländern" hätte heißen müssen und ob es zweitens, im Sinn der Ganzheit und partnerschaftlichen Ergänzung, auch "Damenländer" gibt. Mangels eigener Kompetenz sei dies an den Weltsicherheitsrat weitergeleitet.

© SZ vom 20./21.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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