Mein Deutschland:Zurück auf dem Schirm

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Zu seinem 200. Geburtstag erlebt die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy eine Wiedergeburt - in Diskos und Konzertsälen.

Kate Connolly

Meine Einführung in die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy erhielt ich vorletzten Sommer. Um mich auf ein Interview mit dem britischen Geiger Daniel Hope in einem Hamburger Café vorzubereiten, hörte ich eine Hope-CD mit dem Violinkonzert e-Moll von Mendelssohn.

Mendellsohn in Bronze: Der Komponist erlebt zur Zeit eine Wiedergeburt - zu Recht. (Foto: Foto: dpa)

Die Intensität und der Charme dieser Musik haben mich damals fast umgeworfen. Während unseres Gesprächs schilderte Hope wie sein spiritueller Vater, Yehudi Menuhin, dieses Konzert aufgeführt hatte, als Mendelssohn von den Nazis verboten war.

Jetzt wird der 200. Geburtstag des Komponisten gefeiert und seine Musik erlebt eine Wiedergeburt - ich höre sie an jeder Ecke und an den ungewöhnlichsten Plätzen. Im Frühjahr hatte ich das Glück, an dem eklektischen Savannah Music Festival teilzunehmen, das von Klassik bis zu Bluegrass so ziemlich alles bietet. Der Hamburger Pianist Sebastian Knauer begeisterte unter anderem einem Stück, das das Plätschern einer Gondel auf dem Wasser in Venedig beschreibt. Mozart werde immer als Wunderkind wahrgenommen, beklagte Knauer damals, Mendelssohn dagegen oft vergessen.

Wochen später fand ich mich in den unterirdischen Tiefen eines Berliner Techno Clubs wieder, in Maria am Ostbahnhof. Als nabelfreie Mädchen zu Mendelssohns "Hexenlied" tanzten, war klar: Dieses vergessene deutsche Genie ist wieder in Mode. Und am vergangenen Sonntag schlenderte ich über den Holzfußboden, wo Mendelssohn einst geschlendert war, in dem Leipziger Haus, in dem er im tragisch frühen Alter von 38 Jahren starb. In dem Raum, in dem er "Elias" komponierte, sprach der Dirigent Kurt Masur: Können Sie sich vorstellen, fragte er, dass Mendelssohn der einzige wichtige deutsche Komponist ist, von dem keine Gesammelten Werke existieren?

Die versammelten 60 Zuhörer hatten jeweils 2000 Euro gespendet, damit Leipzig die Mendelssohn-Bibliothek, die sich im Besitz eines Londoner Sammlers befindet, zurückkaufen kann. Anschließend lauschten sie in einem überfüllten Salon Ann-Sophie Mutter, Sir André Previn und Lynn Harrell. Die drei spielten Mendelssohns Trio für Klavier, Violine und Cello.

Ich schaute mich verstohlen in dem Raum um, man hatte mir gesagt , hier sei die Creme de la Creme der deutschen Gesellschaft versammelt. Es war tatsächlich, als wenn ich in der Bunten blätterte: Da waren: Friede Springer, Königin Silvia von Schweden, die Erbin eines Druckimperiums, der Chef eines prominenten Versandhandels, und der strahlende Maler Neo Rauch. (Wer würde nicht strahlen, wenn er gerade ein Gemälde für eine Million Dollar an Brad Pitt verkauft hätte?)

Und alle waren wegen Mendelssohn da! Ich dachte darüber nach, welche seltsamen Wendungen die Geschichte zuweilen nimmt. Siebzig Jahre nach der öffentlichen Brandmarkung - die übrigens in einer brillianten Ausstellung im Bach Museum in Eisenach thematisiert wird - ist es ermutigend zu sehen, dass Mendelssohn zurück auf dem Schirm ist. Zu danken ist dabei vor allem jenen, die seinen Namen unermüdlich hochgehalten haben, als er noch nicht so angesagt war.

Vier Auslandskorrespondenten schreiben an dieser Stelle über Deutschland. Kate Connolly berichtet für den britischen Guardian aus Berlin.

© SZ vom 19.06.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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