Mein Deutschland:Zentrum gegen das Kaputtmachen

Lesezeit: 1 min

In Warschau wurde fast zeitgleich eine deutsche Bombe entschärft.

Agnieszka Kowaluk

Es klingt wie ein schlechter Witz der Geschichte: Während in München ein amerikanischer Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg zur Detonation gebracht wurde, entschärften Sprengstoffexperten in der polnischen Hauptstadt Warschau am selben Tag zur selben Abendstunde nach Evakuierung derselben Anzahl von Anwohnern eine genauso alte Bombe. Der Unterschied: Die Warschauer Kriegsbombe war eine deutsche.

Nach erfolglosen Entschärfungsversuchen ist am Abend des 28. August 2012 eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum von München kontrolliert gesprengt worden. Die 250 Kilogramm schwere Bombe wurde von einem Sprengkommando gegen 21.53 Uhr mit angebrachtem Sprengstoff unschädlich gemacht. (Foto: dpa)

Der Krieg ist allmählich zu Ende, und auch aus Berlin hört man, dass die lange und schwierige Debatte um das Zentrum für Vertriebene, an der auch polnische Historiker beteiligt waren, nunmehr abgeschlossen sei. Das geplante Museum wird Flucht und Vertreibung im Kontext der Verbrechen des Dritten Reiches zeigen. Als das jahrzehntelang verschwiegene deutsche Trauma der Vertreibung aufbrach, hatten viele Polen Angst, dass sich die Deutschen womöglich als die eigentlichen Opfer des Krieges, ja Opfer der Polen stilisieren wollten.

Die sogenannte Westverschiebung Polens, in Teheran von Winston Churchill mit drei Streichhölzern demonstriert und von den Alliierten auf Josef Stalins Drängen beschlossen, wurde von den Polen nicht als "Vertreibung" bezeichnet, als sie mit ihren Möbeln und Haustieren in langen Güterzügen aus dem Osten in die ehemals deutschen Gebiete kamen. Wie in einer der Geschichten von Wodzimierz Nowaks grandiosem Reportagebuch "Die Nacht von Wildenhagen" zu lesen ist, wohnten manchmal die deutsche und die polnische Familie mehrere Monate noch unter einem Dach, teilten die Küche, und auch die Arbeit auf dem Feld. Kam eine Nachricht, der Sohn der Deutschen sei gefallen, saßen beide Mütter am Tisch und weinten zusammen.

Von einer der umgesiedelten polnischen Familien erzählt auch der zum Brüllen komische Filmklassiker "Wir sind doch Freunde" (Sami swoi). Eine Szene dieser Komödie macht mich immer traurig: Der werdende Vater findet im verlassenen deutschen Städtchen keinen Arzt für seine entbindende Frau, aber eine halbgeplünderte Apotheke. Er nimmt einige Verbände und Arzneien an sich und lässt, von Ganoven überfallen, die schönen alten Porzellangefäße fallen, die den Krieg unversehrt überstanden hatten. Könnte man nicht ein Zentrum gegen Kaputtmachen gründen?

© SZ vom 08./09.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: