Mein Deutschland:Wo, bitte, ist Kanada?

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Eine Frau geht auf der Messe Leipzig (Sachsen) hinter einem Schild mit dem Logo der Buchmesse vorüber. Die Messe wurde am 13.03.2013 eröffnet. In diesem Jahr präsentieren sich über 2000 Verlage aus 43 Ländern mit ihren Neuerscheinungen in Leipzig. (Foto: dpa)

Mehr kanadische Literatur gewünscht.

John Lambert

Wer auf der Leipziger Buchmesse kanadische Luft schnuppern wollte, hatte Pech. Außer "Ethnic City" des Afghaners Said Ahmadi - seit wann ist der Kanadier? - und die Zeitschrift The Alpine Review war das Land so gut wie nicht vertreten. Oder doch? Tatsache ist, dass man sogar von den berühmten Kanadiern oft nicht weiß, dass sie Kanadier sind. Das meint auch Marie Luise Knott, die Werke der englisch-kanadischen Autorin Anne Carson übersetzt hat. Sie schätzt an Carson, wie sie einen das kanadische Naturerlebnis spüren lässt: Da hüpfen und wirbeln Gedanken herum wie Wasser.

Es ist allerdings nicht so, dass Deutschland kanadische Literatur gänzlich links liegen lassen würde. Joachim Unseld, Leiter der Frankfurter Verlagsanstalt, hat zum Beispiel einen neuen Star der franko-kanadischen Literatur gefunden: Nicolas Dickner. Ihm sei bei der Lektüre von Dickners "Nikolski" und "Tarmac - Apokalypse für Anfänger" bewusst geworden, "wie breit, wie riesig" Kanada ist. Dickner schildert, wie die jungen Menschen in dem zweitgrößten Land der Welt mit dessen Komplexität und Größe überfordert sind. Meine (englisch-kanadische) Mutter Barbara hat dafür übrigens nur Spott übrig: "Das sieht den Deutschen ähnlich! Einen Schriftsteller, den kein Kanadier kennt, in den Himmel zu loben!" Durch diese Äußerung bekommt man vielleicht ein Gefühl dafür, wie gespalten mein Heimatland ist.

Sicher hätte es auf der Buchmesse auch nicht geschadet, mehr von den unangefochtenen Großen der kanadischen Literatur zu sehen, zum Beispiel Alice Munro - das unsterbliche kanadische Talent, "unser Tschechow" - oder David Gilmour, Patrick DeWitt und Alistair MacLeod. Aber vielleicht kommt das ja noch.

Der Kanadier John Lambert ist Final Editor der englischen iPad-Ausgabe des Monopol Magazins . Er lebt in Berlin.

© SZ vom 23./24.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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