Mein Deutschland:Wenn der Buga-Park zum Scheißkerl wird

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Meine Welt und meine Sprache werden auf den Kopf gestellt.

Kate Connolly

Wie der New Yorker Humorist David Sedaris einmal gesagt hat, brauchen wir manchmal Fremde, die unangemeldet in unser Haus kommen, um uns eine neue Perspektive auf unsere allzu vertraute Umgebung zu verschaffen. Er sagt, dann beginnen wir, bestimmte Dinge durch ihre Augen und Ohren ganz neu zu sehen und zu hören. Das kann ein bisschen verwirrend sein (Warum hängt das hier, warum trinkst du deinen Tee aus dieser Tasse?), es kann aber auch dabei helfen, einen aus dem Zustand der Selbstzufriedenheit herauszuschütteln.

Die Bundesgartenschau 2001 (BUGA) in Potsdam öffnete am 20. April 2001 ihre Tore für Besucher. Heute wird der Park gerne zum Spaziergang genutzt. (Foto: N/A)

Meine Eltern und Familienangehörige kamen in dieser Woche aus Großbritannien zu mir zu Besuch für ein Familienfest. Zugegeben, das war nicht ungeplant und sie sind mir nicht fremd, aber die Wirkung war die gleiche. Sie kommentierten neue Bilder an den Wänden oder alte Gegenstände, die an einem anderen Ort standen, wer auf Familienfotos abgebildet ist und wer "fehlt"; alles von Radiojingles bis zu den Abendnachrichten kann ein neues Gespräch entfachen. Ein wesentlicher Punkt der Diskussion ist die deutsche Sprache, da sie versuchten, sich in der ihnen weitgehend fremden Umgebung zurechtzufinden. Ob ich mir eine Ratte zulegen wolle, fragte meine Schwester und zeigte auf einen Ordner im Regal, der mit "Baby Rat" beschriftet ist. Sie hatte das als "Baby Ratte" verstanden und war ziemlich enttäuscht, als sie erfuhr, dass der Ordner nur Informationsblätter enthält, die ich gesammelt habe, von Stillen bis Baby-Yoga-Kurse.

Ist es nicht witzig, sagt meine Mutter, dass ein Arzt Arzt genannt wird - sie spricht es aus wie "arts", also "Kultur" - vor allem wenn er in einem Operationssaal "Theater" arbeitet, wie ein künstlerischer Darsteller? Ich glaube, sie betrachtet Ärzte als eine Art Handwerker.

Ein Kundenzentrum wird uminterpretiert zu einem "condensed entrance", einem verdichteten Eingang oder der verherrlichenden Beschreibung eines Maklers für eine kleine Tür; meine mittlere Schwester, die kürzlich einen schweren Autounfall hatte, fragt sich, ob die "Back Factory" ein Ort ist, an den sie gehen und wo sie einen neuen Rücken ("back") bestellen kann. Inzwischen ist es wie ein echtes Spiel, wie Ich sehe was, was du nicht siehst , das alle drei Generationen der Familie beschäftigt, wenn wir mit Straßenbahnen, Zügen und Taxis unterwegs sind und immer wieder neue Wörter und Phrasen aufnehmen. Meine Schwester notiert sie sogar auf Papierfetzen oder der Rückseite ihrer Hand.

Wenn es Fahrkarten gibt ("Far Tickets", also "weit-Karten"), gibt es dann auch "Near Tickets" für näher gelegene Ziele? Ein Besuch im Spa weckt Mutmaßungen, was sich hinter der Tür mit der Aufschrift "Bad" ("schlecht") befindet, und "Moor Bad" klingt - nun ja, noch schlechter. Und wenn wir schon dabei sind: Warum sagen Menschen immer "bitte", wenn man "danke" gesagt hat, als ob sie böse ("bitter") mit einem wären? Ein Ausflug zum Buga-Park erzeugte Gelächter. In Großbritannien könnte man keinen Park "Buga" ("bugger", also "Scheißkerl") nennen.

Der Liebling meiner Familie war aber die Sparkasse. Meine Schwester konnte nicht aufhören, es als "Spark Ass" zu lesen - eine neue, schrullige Version von "Schlaukopf". Ich habe eine Familie voll von solchen, dachte ich bei mir, die eine Woche damit verbrachten, meine Welt und meine angenommene Sprache auf den Kopf zu stellen in einer Art dadaistischem, kindischem Spielzeitrausch.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Kate Connolly berichtet für den britischen Guardian aus Berlin.

© SZ vom 06./07.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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