Mein Deutschland:Warten auf das blaue Wunder

Lesezeit: 1 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt am 11.09.2013 am Konferenztisch im Bundeskanzleramt in Berlin und wartet auf den Beginn der Kabinettssitzung. (Foto: AFP)

Italien will wissen, ob La Merkel an der Macht bleibt.

Eine Kolumne von Giovanni Maria Del Re

"Allora, ce la farà la Merkel?" - Wird Frau Merkel es schaffen? Diese Frage höre ich in Italien immer öfter, je näher die Bundestagswahl rückt. In jüngster Zeit wird bei uns tatsächlich kaum ein anderes Land so genau beobachtet wie Deutschland. Auch das Duell zwischen Angela Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück am vergangenen Sonntag wurde von den italienischen Medien aufmerksam verfolgt, mit dem Schluss, dass weder Steinbrück noch Merkel gesiegt hätten. Ein bisschen Enttäuschung war dabei: "Langweiliges Patt" war der Tenor der Kommentatoren. Denn alle wollen vor allem eines wissen: ob La Merkel nach dem 22. September an der Macht bleibt. Es sind ja nicht immer wohlgemeinte Fragen, denn nicht wenige sind auf die Bundeskanzlerin böse, weil sie Südeuropa die strenge Fiskaldisziplin und harte Opfer "aufgezwungen" und alles in der EU "blockiert" habe. Manche vergessen dabei, dass Peer Steinbrück in vielerlei Hinsichten noch "strenger" wäre als La Merkel.

Vor allem warten viele auf die Bundestagswahl, weil sie glauben, dass danach die Welt ganz anders aussehen wird. Sie missdeuten viele deutsche Positionen in EU-Angelegenheiten als reine Wahltaktik und gehen davon aus, dass sich die deutsche Einstellung nach dem 22. September radikal verändern wird. Ich sage ihnen dann immer: Natürlich spielt die Bundestagswahl eine Rolle, und vieles wird im Wahlkampf zugespitzt formuliert. Und natürlich haben SPD und CDU unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Krise zu meistern ist. Die Grundprinzipien der deutschen Politik werden jedoch bleiben, zum Beispiel gesunde Staatsfinanzen als Voraussetzung für ein dauerhaftes Wachstum.

Es ist ein Irrglaube zu denken, dass Deutschland die Rückkehr zu großzügigen Staatsausgaben in den Krisenländern - wie sich manche Politiker in Italien das wünschen - nach der Wahl auf einmal unterstützen würde. Das Gleiche gilt für Projekte wie die Bankenunion. Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass ohne eine Änderung der EU-Verträge eine EU-Zentralbehörde für die Abwicklung maroder Banken in Europa nicht geschaffen werden kann. Wer in Italien - und anderswo - eine Wende Berlins nach der Wahl erwartet, wird vor allem eines erleben: ein blaues Wunder.

Giovanni Maria Del Re arbeitet für die italienische Tageszeitung Avvenire.

© SZ vom 07./08.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: