Mein Deutschland:Wackliger Berlusconi

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In vielen deutschen Autos steckt "Made in Italy".

Alessandro Melazzini

Mailand hat Berlusconi im Stich gelassen. Nach langer und stabiler Wahltreue zu dem umstrittenen italienischen Ministerpräsidenten zeigt das Resultat der letzten Kommunalwahlen, bei denen der Kandidat der Mitte-Links-Koalition gewonnen hat, dass die Hochburg des Berlusconismus wackelt. Doch woran liegt es?

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi greift sich an den Kopf. Der Premier bekam jetzt die Existenz der so genannten Wutbürger seines Landes schmerzhaft zu spüren. (Foto: dpa)

Vor allem bedeutet es, dass selbst die treuesten Anhänger Berlusconis, die Industriellen, seinen Versprechen nicht mehr glauben. Denn auch sie spüren, dass die wirtschaftliche Lage eine andere ist als die, die der notorisch optimistische Premier dem Land zu verkaufen versucht. Ein wichtiger Erfolgsfaktor der regierenden Koalition ist es immer gewesen, die norditalienischen Unternehmer bei der Stange zu halten. Dafür versprach ihnen Berlusconi, dass sie der Staat in Ruhe lassen werde. Das bedeutet, dass auch beim Thema Steuerhinterziehung ein Auge zugedrückt wurde.

So etwas wirkt in Italien. Denn der Staat hat ein ganz anderes "Image" als hier in Deutschland. Während hier der Industrielle - trotz des üblichen Meckerns gegen den Fiskus - sich vom Staat unterstützt fühlt, fühlt sich der italienische Unternehmer allein gelassen. "Die unterschiedliche Wahrnehmung folgt aus der Tatsache, dass hierzulande die Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmer viel besser läuft", erzählt Alessandro Marino, Geschäftsführer der italienischen Handelskammer in München. So gebe es beispielsweise das duale Ausbildungssystem mit staatlichen Berufsschulen, aber auch eine starke Kooperation zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen, sodass die vom Staat geforderte Forschung ziemlich schnell in die Industrie übergehe, mit einem positiven Effekt für alle Partner.

Auch wegen der schwächeren Verflechtung zwischen Industrie und Forschung sowie der mangelnden Hilfe seitens der Politik - jenseits aller Versprechen - muss der italienische Unternehmer generell sehr dynamisch sein, was wiederum der deutsche Vertragspartner zu schätzen weiß. "Deutschland ist der erste Wirtschaftspartner Italiens, denn unsere Flexibilität und Kreativität - die teilweise aus der Not geboren sind - schneiden sehr gut in Deutschland ab, insbesondere wenn man kein Null-Acht-Fünfzehn-Produkt liefert. Daraus folgt, dass Italien ein sehr wichtiger Lieferant für die deutsche Industrie ist", sagte Marino weiter. Zulieferer zu sein mag nicht so toll klingen, bedeutet aber, dass tief in der deutschen Industrie und in vielen deutschen Autos viel mehr "Made in Italy" steckt als Otto Normalverbraucher weiß.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Alessandro Melazzini arbeitet als Kulturkorrespondent für die italienische Tageszeitung Il Sole 24 Ore.

© SZ vom 11./12./13.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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