Mein Deutschland:Von Shitstorms und "Uebernerds"

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Durch eine Lupe ist der Begriff Shitstorm als Ausdruck für einen Entrüstungssturm in einem Internetmedium am 28.06.2013 in Berlin im neuen Duden des Jahres 2013 zu sehen. Das Wort gehört zu den Neuaufnahmen in der 26. Auflage des Wörterbuches der deutschen Sprache. (Foto: dpa)

Deutschlands längstes Wort war auch in britischen Zeitungen zu finden.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Es ist erstaunlich, wie groß das Interesse weltweit war, als es hieß, dass das Wort Rindfleischetikettierungsüberwachungs-aufgabenübertragungsgesetz aus der deutschen Sprache verschwinden werde. Britische Zeitungen machten sich einen großen Spaß daraus, Deutschlands bislang längstes Wort zu drucken. Noch größeres Interesse rief die Ankündigung des Duden hervor, das Wort "Shitstorm" aufzunehmen. Ich erinnere mich, es zuerst von der Bundeskanzlerin gehört zu haben, und zwar bei einem Treffen im Kanzleramt im Juni 2012. Neben dem britischen Premier David Cameron sitzend gab Angela Merkel zu, sie habe in der Euro-Krise einen "shitschturm" geerntet. Cameron sah dabei etwas verdattert aus, hatte sie doch ein Wort ausgesprochen, für dessen Benutzung er selbst wenn nicht einen Shitstorm so doch eine Welle der Empörung ernten würde.

"Shitstorm" ist ein Beispiel für ein englisches Wort, das das Deutsche erst kolonisiert und dann übernimmt. Im Englischen bezog sich "shit storm" bisher auf eine unschöne und abstoßende Situation und nicht auf ein Trommelfeuer von Beleidigungen im Internet, wie die Bedeutung im Deutschen ist. Beim "Handy" ist es ähnlich: Wenn ein Deutscher einen Briten nach seiner Handynummer fragt, ist dieser verwirrt, da Handy im Englischen nichts weiter bedeutet als "nützlich" oder eine Person bezeichnet, die handwerklich begabt ist.

Im Englischen haben wir in den vergangenen Jahren auch einige deutsche Worte kolonisiert. Zum Beispiel das Wort

"ueber", das wir gerne als Ausdruck eines Superlativs vor andere Worte stellen: "uebercool" als unglaublich cool und "uebernerd" für eine total dämliche Person. Ein anderes deutsches Wort, das wir gerne benutzen, ist erst in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen: "Wunderkind", von dem ich jüngst bei einem Besuch in Augsburg lernte, dass der Vater von Wolfgang Amadeus Mozart, Leopold Mozart, das Wort erfunden hat, um seinen Sohn zu promoten. Briten, die so selten Fremdsprachen sprechen, lieben diesen Ausdruck. Wenn wir ihn oder andere fremdartig klingende Wörter in unsere Sätze einflechten wie Schadenfreude oder Hintergrund, fühlen wir uns so richtig klug. Das gilt übrigens auch für Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.

Kate Connolly berichtet für den Guardian und den Observer aus Berlin.

© SZ vom 20./21.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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