Mein Deutschland:Trost vom Nachbarn

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Passanten beobachten am 4. Juni 2013 von der Brücke "Blaues Wunder" in Dresden (Sachsen) das Hochwasser der Elbe. Steigende Pegel an der Elbe sorgen für Überflutungen in Sachsen. (Foto: dpa)

Viele Hunderte französische und holländische Soldaten packten ebenfalls mit an.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Es war ein wunderschöner Abend: Radler fuhren am Fluss entlang, junge Leute grillten, Jogger genossen einen der ersten trockenen Tage seit Wochen. Die Sonne schien, das Licht war golden. Kaum zu glauben, ich war in Dresden - und das Desaster drohte. Die Sonne zu genießen, fühlte sich falsch an. Aber als ich zu Anfang der Woche hierher kam, konnte ich nur denken: Die Stadt ist so schön wie nie. Ein solcher Kontrast zu meinem ersten Besuch als Rucksacktouristin 1991. Damals wirkte die Stadt grau, ruiniert. Nun strahlte sie. Voller Energie. Überall restaurierte Gebäude, und Junge und Alte auf ihren Fahrrädern. Eine ältere Dame zeigte mir Plätze, die ich nie zuvor gesehen hatte, zum Beispiel die Villa des Wissenschaftlers Manfred von Ardenne und das Haus von Clara Schumanns Vater, dem Komponisten Friedrich Wieck.

Unter der Brücke "Blaues Wunder" allerdings kräuselte sich bedrohlich das braune Wasser der Elbe. Überall in der Stadt füllten Menschen Sandsäcke und halfen, vom Wasser Bedrohte zu evakuieren. Fast jeder sprach von einem Déjà-vu - sie hatten die Flut 2002 überlebt. Meine ältere Begleiterin sagte gar, in ihr sei das Trauma der Bombardierung Dresdens wiedererwacht. Aber wie fast alle, die ich traf, sprach sie auch davon, welche große Stärke ihr die Solidarität der anderen gebe, ob sie nun Sandsäcke packten, Essen kochten, Gummistiefel spendeten oder Freiwilligenteams koordinierten. Nicht vergessen werden dürfen die Hunderte französische und holländische Soldaten, die ebenfalls mit anpackten. Kein Zweifel, die Bundeswehr hätte das auch alleine geschafft, aber es ist nichts so tröstend, wie zu wissen, dass man sich auf seine Nachbarn verlassen kann.

So wie sich das Wasser langsam zurückzieht und Tonnen von Schlamm, einen allmächtigen Gestank und eine Mückenplage hinterlässt, so wird auch die Intensität der Zusammenarbeit abnehmen. Aber das Zusammengehörigkeitsgefühl wird bleiben. Denn nichts lässt Menschen eher erkennen, dass sie Teil einer Gemeinschaft sind, als Katastrophen.

Kate Connolly berichtet für den Guardian und den Observer aus Berlin.

© SZ vom 08./09.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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