Mein Deutschland:Prozess und Verwandlung

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Die Angeklagte Beate Zschäpe (l) wird am 14.05.2013 in München (Bayern) in den Verhandlungssaal für den NSU-Prozess im Oberlandesgericht geführt. Hier wird der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) fortgesetzt. (Foto: dpa)

Ein bitterer Beigeschmack bleibt.

Eine Kolumne von Aktham Suliman

Auf die turbulenten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess in München wäre nicht einmal Franz Kafka gekommen. Oder standen etwa in seinem "Prozess" irgendwelche Zeilen über Medienvertreter, Akkreditierungspraxis und türkische Journalisten? Das Ganze nimmt tatsächlich post-kafkaeske Züge an, die, so ist zu vermuten, der junge Kafka sicher gerne selbst miterlebt hätte. Ja, es gibt - nicht nur als sprachliches Konstrukt - den sinnlosen Sinn; und ja, das System - jedes System - funktioniert an sich und für sich, und zwar vermehrt nur für sich.

Dies zeigte schon die Vorgeschichte des NSU-Falles. Was hat die Welt in den vergangenen Monaten nicht alles gehört über die Arbeit der Sicherheitsbehörden in Deutschland, über V-Männer und Akten, die mal mehr, mal weniger ordnungsgemäß vernichtet wurden. Erschlagen von der Transparenz des Systems und dessen unbegrenzter Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Konsequenz verfolgten Reporter und Journalisten von überall die Sitzungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und die Vorschläge der Experten über die Notwendigkeit der Vernetzung der Sicherheitsapparate und -behörden.

Am Ende blieben zehn ausgelöschte Menschenleben, Schmerz und Enttäuschung bei den Angehörigen sowie eine Akkreditierungsdebatte darüber, wer welche E-Mails wann von der Pressestelle des Oberlandesgerichtes (OLG) München bekam oder zu dieser zurückschickte. Auch wenn türkische und andere ausländische Journalisten dem auf Mai verschobenen NSU-Prozess nun doch beisitzen dürfen: Ein bitterer Beigeschmack bleibt. Es bedurfte einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass das OLG eine angemessene Zahl von Sitzplätzen "an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern" vergeben muss.

Eine interessante, nicht weniger kafkaeske "Verwandlung" im NSU-Fall. Sie wird aber nichts mehr daran ändern, dass das Bild Deutschlands im Ausland bereits stark beschädigt ist. Nach all den als technische Probleme abgetanen Fehlern wartet die Welt nun auf "das Urteil". "In der Strafkolonie" wird diese Welt die Angeklagte allerdings nicht sehen. Allem Kafkaismus zum Trotz.

Aktham Suliman ist freier Journalist. Er lebt in Berlin.

© SZ vom 20./21.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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