Mein Deutschland:Mit europäischem Selbstbewusstsein

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Ein Mann tippt auf einem Smartphone eine SMS. Die NSA sammelt laut einem neuen Zeitungsbericht fast 200 Millionen SMS-Nachrichten pro Tag. (Foto: dpa)

In vielen italienischen Zeitungen war die NSA-Abhöraktion von Bundeskanzlerin Angela Merkels Handy Thema.

Nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch ihr Vorgänger Gerhard Schröder wurde also vom US-Geheimdienst NSA ausspioniert. Somit wurden mehr als zehn Jahre lang zwei deutsche Bundesregierungen hemmungslos von Washingtons Spionen abgehört und beobachtet - und wahrscheinlich ist das weiterhin der Fall. Die Sache ist für ganz Europa brisant, die Nachricht des von der NSA abgehörten Handys der Bundeskanzlerin kam auch auf die ersten Seiten der italienischen Zeitungen. "Mit der Ausspähung des Handys der deutschen Kanzlerin hat der NSA-Skandal eine neue Dimension erreicht", war in vielen italienischen Blättern zu lesen.

Einige boshafte Kommentatoren in Italien konnten nicht umhin, die Innenpolitik miteinzubeziehen. "Premierminister Enrico Letta - schrieb einer sarkastisch - ist in Wirklichkeit auf Frau Merkel ein bisschen neidisch." Denn eines ist sicher: Die Intensität, mit der die US-Spione Berlin beobachten, zeigt, wie groß das Gewicht des wirtschaftlich sehr starken und selbstbewussten wiedervereinigten Deutschlands nicht nur in der EU, sondern auf der Weltbühne geworden ist. Die BRD geriet zwar immer wieder auch während des Kalten Krieges ins Visier der US-Geheimdienste, aber es war damals ganz anders: Das besetzte West-Deutschland wurde von den USA weniger als souveränes, eigenständiges Land betrachtet denn als zu verteidigende letzte Front gegen den sowjetischen Block.

Ein klares Zeichen des wiedergefundenen, für die USA irritierenden Selbstbewusstseins Deutschlands sind auch die heftigen Reaktionen aus der deutschen Politik gegenüber Washington, die in der alten Bonner Republik wahrscheinlich keiner in dieser Form gewagt hätte. Merkel hat ganz offen die Frage des "beschädigten Vertrauens" zwischen den USA und Deutschland angesprochen, während Bundesjustizminister Heiko Maas den Schutz vor Terrorismus "nur einen Deckmantel" nannte, den die USA vorschützten. Altbundeskanzler Schröder beklagte den mangelnden Respekt der USA vor ihrem loyalen Bündnispartner und der Souveränität Deutschlands. Italien, wie viele andere europäische Partner, sehen das ebenso. Vielleicht sollten es endlich auch die Amerikaner tun.

Giovanni Maria Del Re ist Europa-Korrespondent der italienischen Tageszeitung Avvenire. Er lebt in Brüssel.

© SZ vom 08./09.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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