Mein Deutschland:Meilenweit weg vom Mythos Loki

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Gab es unter den Frauen der französischen Ex-Präsidenten jemals eine so starke Frau?

Pascale Hugues

Hat Frankreich auch seine Loki? Das habe ich mich gefragt, als ganz Deutschland bewegt und voller Respekt von der Frau des früheren Kanzlers Helmut Schmidt Abschied nahm. Ich lasse die Frauen der Ex-Präsidenten meines Landes Revue passieren. Gab es unter ihnen jemals eine starke und von allen Franzosen anerkannte Figur?

Marianne ist die Nationalfigur der Französischen Republik. In der Französischen Revolution wurde Marianne - bis dahin lediglich ein im Volke weit verbreiteter Name - zum Symbol der Freiheit. Auf Bildern ist ihr Kopf gewöhnlich mit der phrygischen Mütze bedeckt, mindestens eine Brust unbedeckt. Die Büste der Marianne wird von Zeit zu Zeit nach dem Vorbild prominenter Französinnen (hier Laetitia Casta) neu gefertigt und in den örtlichen Rathäusern ausgestellt. (Foto: AP)

Yvonne de Gaulle nannte man "Tante Yvonne". Das allein sagt schon alles. Ich war damals noch ein Kind, aber die Gattin des Generals hat sich in meine Erinnerung eingebrannt als ein sehr frommer, sehr untertäniger, sehr diffuser Schatten ihres monumentalen Mannes. Claude Pompidou? Immer gut gekleidet, Liebhaberin zeitgenössischer Kunst. Mehr weiß ich nicht, und das reicht nicht, um mit Loki Schmidt zu konkurrieren. Anne-Aymone Giscard d' Estaing? Anne-Aymone Marie Josèphe Christiane Sauvage de Brantes mit Mädchennamen, sie ist die Tochter einer Prinzessin. Zum ersten Mal setzt ein Präsident, fasziniert vom Modell Kennedy, seine Frau in Szene. Am Wahlabend 1974 erklärt die schüchterne Anne-Aymone, die sich lieber ihren vier Kinder gewidmet hätte: "Heute Abend trete ich wie meine Schwester Marguerite in einen Orden ein." Die Präsidentenfrau verfügt, ein Novum, über ein Büro im Elysée, im ehemaligen Badezimmer von Napoléon III. Ohne respektlos sein zu wollen: An Anne-Aymone Giscard d'Estaing denke ich nur, wenn ich nach einer Wanderung in den Vogesen in diesem kleinen, verlassenen Ort am Fuß der Berge ankomme. Zwischen dem Rathaus und der Schule hat man ein paar Quadratmeter Rasen angelegt und Begonien gepflanzt. Es ist der "Platz Anne-Aymone Giscard d' Estaing". Wie meilenweit weg vom Mythos Loki.

Mit Danielle, der offizielle Ehefrau von François Mitterrand, ändern sich die Dinge. Mit 17 Jahren in die Résistance eingetreten, erklärt sie 1981, als ihr Mann gewählt wird: "Ich bin keine Staffage." Sehr links, eine Anhängerin von Fidel Castro und der salvadorianischen Guerilleros, engagiert Danielle Mitterrand sich für Menschenrechte. Ihren Mann bringt sie damit in diplomatisch heikle Situationen. Aus einer laizistischen und republikanischen Familie stammend, will sie nah am Volke sein, aber sie war nie so populär wie Loki Schmidt. Und Bernadette Chirac? Ah, Bernadette, die Treue, deren Rüpel von einem Gatten sagte: "Meine Frau ist ein Mann der Politik." Sie entschuldigte seine amourösen Abenteuer, indem sie schwor: "Bei den Chodron de Courcel (ihr Mädchenname, alter Adel) lässt man sich nicht scheiden." Ihr Unglück hat sie geduldig ertragen, so sicher war sie sich ihres Rangs und ihrer Macht. Sie ist die einzige Première Dame, die in ein Amt gewählt wurde. Wie Hillary Clinton hat die Generalrätin im Département Corrèze ihren Mann in der Politik überlebt. Mit 77 Jahren schmückt sie noch die Titelseiten der Zeitung, er macht Schlagzeilen nur mit dubiosen Polit-Skandalen. Doch auch sie hat die Herzen der Franzosen nicht erobert.

Bleibt eine Hoffnung: Die schöne Carla. Als Herzensbrecherin muss sie sich nicht mehr beweisen. Doch kann sie auch die Franzosen verführen? Carla Bruni ist die Antipodin von Loki Schmidt. Nein, so viel ist sicher: Mit Loki kann allenfalls unsere Marianne mithalten.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.

© SZ vom 6./7.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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