Mein Deutschland:Jeder kennt "Jokhiim Luuw"

Lesezeit: 2 min

Die arabische Welt wartet auf Nachrichten aus Deutschland.

Aktham Suliman

Was ist bloß mit Deutschland los? Für Araber gab es noch nie so wenig aus Deutschland zu berichten wie derzeit. Versuch einer Schlagzeile aus dem heutigen Deutschland: Die Bild -Zeitung findet keinen Gefallen mehr an Fußball-Bundestrainer Joachim Löw. "Jokhiim Luuw" kennen alle Araber, die sich für Fußball, und alle Araberinnen, die sich für attraktive Männer über 50 interessieren. Doch was ist Bild ? Und wie wichtig ist es, wenn Bild an jemandem keinen Gefallen mehr findet? Ex-Bundespräsident Christian Wulff könnte ein Lied davon singen - allerdings nicht auf Arabisch.

Wulff war einer der letzten deutschen Politiker, die es zur Internationalität durch aktives Tun geschafft haben, mal im negativen Sinne, wie bei seinem Kreditverhalten, mal im positiven Sinne, wie bei seinen Äußerungen zum Islam in Deutschland. Altkanzler Gerhard Schröder war auch so ein Medienfund. Sein "Nein" 2002 im Vorfeld des Irak-Krieges war die Geburtsstunde des selbstbewussten Al-Jazeera-Büros in Berlin. Kurz darauf konnte ich meinen Chefs in Qatar sagen: Ich brauche mehr Technik, mehr Personal - und eine Gehaltserhöhung!

Erst mit Schröder und Ex-Außenminister Joschka Fischer konnte Berlin in einem Atemzug mit Washington, Moskau, London und Paris genannt werden, zumindest in der arabischen Welt. Zugegeben, das Schröder'sche "Nein" war nicht so absolut, wie es klang, zumindest in Anbetracht der BND-Affäre, also der Tatsache, dass die damalige Regierung doch mit den Amerikanern zusammengearbeitet hat und BND-Spione nach Bagdad schickte. Aber so hatten wir auch Jahre nach Schröder noch vieles zu berichten.

Das "Nein" zum Libyen-Militäreinsatz im vergangenen Jahr versteckte sich dagegen hinter einer Enthaltung im UN-Sicherheitsrat und ging später mit einer "Würdigung" des Nato-Beitrages bei der "Hilfe" zum "Sturz des Gaddafi-Regimes" einher. Aber nur klare "Jas" und "Neins" können in den Schlagzeilen im Ausland wiedergefunden werden. Auf die Frage, ob die Haltung Deutschlands zu Libyen deutsche Investitionen dort gefährdet habe, gibt es nur eine Gegenfrage als ehrliche Antwort: wessen Haltung?

Auch die Nachricht, dass der Verfassungsschutz Ende vergangenen Jahres Akten im Zusammenhang mit der Zwickauer Terrorzelle vernichtet hatte, und dass die führenden Verfassungsschützer in Thüringen und Deutschland im Folge des Skandals gehen müssen, funktioniert nicht auf Arabisch. In der arabischen Welt, wo man eher Menschen vernichtende Geheimdienste kennt, klingt die Nachricht wie eine bunte Meldung zur Versüßung des Abends. Wenn sich Deutschland nichts besseres einfallen lässt, sind wir alle - nicht nur die zwei Verfassungsschützer - bald arbeitslos.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Aktham Suliman leitet das deutsche Büro des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera Network in Berlin.

© SZ vom 07./08.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: