Im fränkischen Münnerstadt gibt es eine Bestattungsschule. Hunderte Lehrlinge aus ganz Deutschland erfahren, wie man mit dem Tod diskret und professionell umgeht. Ein Friedhof dient als Übungsplatz. Wer sich Bestattungsmeister werden will, lernt in Münnerstadt "Auftragsabwicklungsprozesse zu planen, zu organisieren, durchzuführen und zu überwachen" sowie "technische, organisatorische und dienstleistungsbezogene Mängel zu identifizieren, Ergebnisse zu bewerten und zu dokumentieren."
Ich staune immer wieder, wie und wo in Deutschland für alle Bereiche des Lebens und des Sterbens Kurse angeboten wird. Deutsche Volkshochschulen offerieren die gesamte Palette für jedes Alter. Universitäten locken die aufstrebenden Akademikern mit Workshops, um sich erfolgreicher durch den hiesigen Stiftungs- und Stipendienjungle zu schlagen. Wenn ich italienischen Freunden erzähle, dass es hierzulande sogar eine "Popakademie" gibt, halten sie das für einen Witz: So etwas kann man doch nicht an einer Hochschule studieren! Ich gestehe, ähnlich gedacht zu haben, als ich von dieser Einrichtung in Mannheim hörte. Kann die deutsche Pädagogisierung des Lebens ein solches Ausmaß erreichen, dass selbst die wildesten Berufe wie Rockstar auf einer Schulbank gelernt werden sollen?
Daher habe ich mich noch nicht endgültig zwischen italienischer Freiheit und deutscher Struktur entschieden. Sehr leistungsfähig finde ich die deutsche Art, für jeden Beruf einen Prozess und eine Normierung zu entwickeln, die in einer Schule gelehrt und geübt werden kann, zumal ein Studiengang es ermöglicht, tatsächlich in die Berufswelt einzutreten, was in Italien oft nur mit Hilfe persönlicher Beziehungen klappt. Aber besteht nicht auch die Gefahr, vor allem in kreativen Berufen, dass ein minutiös strukturierter Lehrgang an einer Akademie eher die technischen Fertigkeiten als die Kreativität fördert? Muss ein junger Journalist unbedingt eine Journalistenschule besucht haben, um überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen, wie es immer häufiger der Fall ist - übrigens nicht nur in Deutschland?
Kurzum: Inwieweit soll eine Gesellschaft den individuellen Werdegang eines Menschen auf vorgeschriebene Wege zwingen, die für Autodidakten, Quereinsteiger und Andersdenkende voller Hindernisse sind? Das bremst die Schaffenskraft, denn sie wird von den Pädagogen unvermeidlich als naiv und ungezügelt abgestempelt. Ich fürchte, dass eine Arbeitswelt, die immer geschlossener und bürokratisierter wird, den kreativen Köpfen die Anerkennung verweigert.
An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Alessandro Melazzini arbeitet als Kulturkorrespondent für die italienische Tageszeitung Il Sole 24 Ore.