Mein Deutschland:Häme für die "Oberlehrerin"

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA, 15.09.2011) in Frankfurt am Main über den Stand von BMW. Kurz nach der diesjährigen Wahl im September 2013 sorgt eine Spende an die Partei der Kanzlerin für Wirbel: Drei BMW-Großaktionäre gaben der CDU 690 000 Euro. (Foto: dpa)

Viele Italiener hätten lieber Angela Merkel als Regierungschefin als die heimischen Politiker.

Eine Kolumne von Giovanni Maria Del Re

Kaum eine Nachricht aus Deutschland hat die italienischen Medien mehr erfreut als die Riesenspende von 690 000 Euro der BMW-Großaktionärsfamilien Quandt und Klatten an die CDU. Die Nachricht kam gerade, als es Bundeskanzlerin Angela Merkel gelungen war, eine den großen Autokonzernen verhasste EU-Richtlinie für strengere CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge in der allerletzten Minute zu stoppen, obwohl alle Mitgliedstaaten (inklusive Deutschland) und das Europäische Parlament schon vor Monaten eine politische Einigung darüber erzielt hatten.

Das war für die italienischen Medien ein gefundenes Fressen: Die Bundeskanzlerin knickt vor der mächtigen deutschen Autolobby ein und wird deshalb reichlich belohnt. So war der überwiegende Tenor der Kommentare. Die deutschen "Oberlehrer" in puncto Ethik und Ehrlichkeit kochen also auch nur mit Wasser. "Die Deutschen wollen, dass die anderen die Regeln streng befolgen, aber sie sind die Ersten, die sie verletzen, wenn das gerade ihren Interessen dient", schimpfte Italiens größte Tageszeitung Corriere della Sera .

Tatsächlich ist der Zeitpunkt der Spende für Merkel nicht ganz optimal, wie die harten Kritiken auch in Deutschland bewiesen haben. Es handelte sich dabei jedoch nicht um Schwarzgeld, denn die Spende wurde offiziell registriert und veröffentlicht. Also weit von "Tangentopoli" entfernt, den Schmiergeldskandalen, die die italienische Politik seit Jahrzehnten plagen. Übrigens, dass ein Bundeskanzler sich für eine Sparte engagiert, von der Millionen Arbeitsplätze abhängig sind, mag nicht schön sein, ganz überraschend ist es aber nicht.

Vielleicht denken auch viele meiner Landsleute so. Gerade während die italienischen Zeitungen die "Lobbyistin Merkel" mit Schimpftiraden überzogen, wurde ironischerweise eine Umfrage veröffentlicht, die eigentlich der Bundeskanzlerin schmeicheln - und die italienischen Politiker beschämen sollte: 68 Prozent der Italiener mögen Merkel und hätten sie viel lieber als eigene Regierungschefin als die heimischen Politiker. Denen trauen gerade mal vier Prozent der Stiefelbewohner. BMW-Spende hin oder her.

Giovanni Maria Del Re ist Europa-Korrespondent der italienischen Tageszeitung Avvenire.

© SZ vom 26./27.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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