Mein Deutschland:Gräben in Europa

Lesezeit: 2 min

Europa sucht seinen Weg aus der Krise: Zwischen französischem Protektionismus und Merkels Kampf gegen den Schuldenstrudel.

Judy Dempsey

Europa ist in der Krise?

Europas Staatschefs suchen einen Weg aus der Finanzkrise. (Foto: Foto: ddp)

Bisher sind Deutschland und Frankreich als Retter aufgetreten, um das europäische Feuer am Leben zu halten. In einer andauernden Finanzkrise könnten die zwei Länder erneut beweisen, wozu sie fähig sind. Stattdessen haben Berlin und Paris sich für entgegengesetzte Lösungen entschieden, wie Europa auf die weltweite Kernschmelze reagieren sollte.

Kanzlerin Merkel will verhindern, dass die EU sich aus der Krise kauft. Sie sorgt sich um die Explosion der Staatsschulden. Angst macht ihr insbesondere die Inflation, die seit den zwanziger Jahren, als durch galoppierende Preise Deutschlands Reichtum verbrannte, so etwas wie das rote Tuch hierzulande ist. Präsident Sarkozy dagegen macht sich für Protektionismus und Konjunkturprogramme stark. Um sich ihm entgegenzustemmen, hat Merkel begonnen, Allianzen mit kleinen und mittleren Ländern zu knüpfen, eine Strategie, in der bereits ein anderer Konservativer Meister war, Kanzler Kohl.

Merkel will Frankreichs Einfluss und den anderer ausgabenorientierter Länder wie Irland, Griechenland, Italien und Spanien eindämmen. Sie haben hohe Staatsschulden und dürften die Maastricht-Kriterien reißen. Und sie würden lieber die strengen Regeln aufweichen als ihre Strukturen zu reformieren.

Viele Deutsche, die sich mit Wehmut an die starke Mark erinnern, fürchten nun nicht nur die Inflation, die ihren Wohlstand ruinieren könnte. Schlimmer noch, die Euro-Länder mit hohen Defiziten müssen möglicherweise mit viel Geld vor der Pleite gerettet werden. Das ist Merkels Albtraum. Denn die Kosten für Deutschland, das zahlungskräftigste Mitglied der EU, könnten enorm sein.

Am meisten Angst bereitet Merkel, dass niemand weiß, wie lange diese Krise anhält, wie viel dramatischer sie noch wird und ob die Rettungspläne der EU-Mitglieder und der USA überhaupt Wirkung zeigen. Niemand weiß, was Banken dazu ermuntern wird, wieder Geld zu leihen. Angesichts dieser Ungewissheiten will Merkel, dass Regierungen ihre Handlungsfähigkeiten bewahren und nicht in einem Schuldenstrudel untergehen.

Die Verbündeten der Kanzlerin sind vor allem die EU-Mitglieder im Norden - Skandinavien, Benelux sowie Polen und Tschechien. Ihre Regierungen haben die Haushalte unter Kontrolle, und die Menschen dort wissen, wie man spart. Merkel hat daher für eine Erneuerung des Stabilitätspaktes geworben, um die staatlichen Ausgaben in der EU zu drosseln. Denn Europas Bevölkerung schrumpft, und die sinkende Geburtenrate bedeutet auch, dass Regierungen nicht mehr ihre Schuldenberge an die zukünftigen Generationen weitergeben können.

Doch Merkels Politik der Allianzen birgt in sich einen erheblichen strategischen Nachteil: Abgesehen von den Niederlanden, von Finnland und Luxemburg, gehören ihre Verbündeten nicht zur Euro-Zone. Merkel hat sich deshalb Sarkozys Ruf nach einem Gipfel der Euro-Länder widersetzt, aus Angst, Deutschland könne unter Druck geraten.

Die sparsamen Nordländer beklatschen Merkels Strategie; die verschwenderischen Südländer rümpfen die Nase über ihren Geiz. Stärker als je zuvor richtet Berlin seine Wirtschaftspolitik an der Wahrnehmung eigener Interessen aus. Der Graben, der Europas Süden vom Norden trennt, wird sich damit vertiefen.

Vier Auslandskorrespondenten schreiben an dieser Stelle jeden Samstag über Deutschland. Judy Dempsey berichtet aus Berlin für die International Herald Tribune.

© SZ vom 07.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: