Mein Deutschland:Gespenster zu beiden Seiten des Rheins

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Die Vorsitzende Marine Le Pen der Partei Front National (FN) während einer Pressekonferenz im Hauptquartier der Partei in Nanterre bei Paris. (Foto: AFP)

In Deutschland die Exzesse eines Bischofs, in Frankreich der Triumph einer nicht salonfähigen Partei.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Jüngst fuhr ich von Basel nach Straßburg, eineinhalb Stunden mit dem Auto, und hörte dabei Radio. Auf der deutschen Seite: Die Exzesse des Bischofs von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, stürzen die katholische Kirche in einen neuen Skandal. Auf der französischen Seite: Der Triumph des rechtsextremen Front National (FN) in Var. Eine Mini-Kantonal-Stichwahl, die niemand auch nur der Erwähnung wert befunden hätte, hätte die Partei von Marine Le Pen nicht 54 Prozent der Stimmen bekommen. Abgeschlagen der auch von den Sozialisten unterstützte UMP-Kandidat.

Es ist gar nicht so lange her, da wurde in Frankreich darüber debattiert, ob man über den FN in Fernsehen und Radio überhaupt berichten dürfe - so wie über demokratische Gruppierungen. Nun drängt der FN eineinhalb Stunden lang im Radio alle anderen Nachrichten des Tages in den Hintergrund. Da ist er also, schön und ziemlich entdiabolisiert! Vor einigen Jahren noch wählte man den FN im Geheimen. Seine Sympathie für die Rechtsextremen lautstark kundzutun, wagte kaum jemand. Der FN war nicht salonfähig.

Marine Le Pen hat der Partei ihres Vaters eine respektable Fassade verpasst und seine Rhetorik geglättet. Die fremdenfeindlichen Attacken und die antisemitischen Vorstöße gehören der Vergangenheit an. Bomberjacken und Springerstiefel der Skinhead-Truppen wurden im Schrank versteckt. Sogar die großen Themen der Republikaner wie die Trennung von Kirche und Staat und die Themen der Linken wie die Rente mit 60 Jahren, die Beschäftigungsgarantie sowie Steuersenkungen für niedrige Einkommen macht sich der "neue" FN zu eigen. Und umgarnt den von der Krise gebeutelten und von der Unbeweglichkeit der Regierung genervten Hinterwäldler-Franzosen. "Der Front National ist die erste Partei Frankreichs!", frohlockt Le Pen.

Zwischen Vogesen und Schwarzwald, Frankreich und Deutschland. Wenn ich mir die Eskapaden des Bischofs von Limburg anhöre, defilieren vor meinen Augen Boccaccios feiste Kirchenmänner vorbei. Auf der französischen Seite denke ich mit Horror an die Europawahlen im Mai nächsten Jahres. Schnell, Entspannungsmusik in den CD-Spieler!

Pascale Hugues berichtet aus Berlin für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.

© SZ vom 19./20.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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